Lost Secrets (Gesamtausgabe)
eingeschlafen. Manchmal sehe ich dort fern. Ich sehe mir gerne Quizshows an, wissen sie?“ Sie verzog das ältliche Gesicht zu einem verschmitzten Lächeln, als hätte man sie auf frischer Tat ertappt. „Aber es war langweilig und ich bin eingeschlafen. Und als ich aufwachte, dachte ich, dass ich etwas gehört hätte. Dann bin ich aufgestanden, habe aus dem Fenster gesehen, aber da war nichts. Und dann habe ich den Rauch gerochen und das Feuer entdeckt.“
„Hatte sich die Polizei die Sache angesehen? Gab es irgendwelche Spuren?“
„Nein, wir wollten den Kindern keine Angst machen. Und es war ja schnell gelöscht.“
„Ich habe etwas gesehen.“
Alle vier Erwachsenen drehten sich zu dem Lorbeerbusch.
„Ist das etwa eine sprechende Hecke“, fragte Eric in sanftem Tonfall. Leises Kichern ließ ihn lächeln.
„Nein, ich bin Liam.“
„Ein Busch der Liam heißt. Interessant.“
Wieder Kichern.
„Nein, ich bin kein Busch. Ich bin ein Junge. Und ich bin fünf und heiße Liam. Ich sitze hier nur.“
„Achso.“ Eric schüttelte über seine scheinbare Dummheit tadelnd den Kopf. „Tut mir leid, Liam. Was sagtest du also?“
„Ich habe jemanden gesehen“,
wiederholte die Kinderstimme.
„Als das Feuer ausgebrochen ist, war ein Mann im Haus.“
Heather und Eric wechselten einen alarmierten Blick. Am liebsten hätte sie den Jungen aus dem Gebüsch gezerrt und die Informationen aus ihm herausgequetscht, doch sie musste einsehen, dass Eric offenbar ein Händchen für Kinder hatte. Oder zumindest für dieses Kind.
„Was war das für ein Mann?“, fragte er und als der Junge schwieg, fuhr er fort. „War er so klein wie du?“
„Nein. Er war viel größer als ich. Und größer als Schwester Anne und Schwester Agnes.
“ Er machte eine Pause.
„Aber er war nicht so groß wie du!“
Heathers Mundwinkel zuckten amüsiert. Dieser clevere kleine Kerl hatte offenbar in seinem Busch eine sehr gute Aussicht.
„Und hatte er auch so weiße Haare wie ich?“
„Nein, seine Haare waren dunkler, glaube ich. Aber es war auch kein Licht an. Da habe ich es nicht genau gesehen. Ich habe mich versteckt oben an der Treppe. Barry hatte mir Wasser ins Bett geschüttet und da bin ich aufgestanden. Barry ist ganz gemein.“
Er klang verbittert, was in Heather heftiges Mitleid weckte. Und Wut. Sie ertappte sich dabei wie ihr Blick auf der Suche nach
Barry
über die Masse an Kindern schweifte. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie der Kerl aussehen mochte.
„War sonst noch irgendetwas komisch an diesem Mann?“, fragte Eric.
„Ja.“
„Ja?“
„Er ist gehumpelt.“
„Weißt du auf welcher Seite?“
„Nein. Aber es sah lustig aus. Er ist gehüpft, wie ich hüpfe, wenn ich Pony spiele. – Ich mag Ponys. Ich mag sie ganz arg. Sie haben so weiche Nasen und eine lange Mähne. Und es ist bestimmt toll, wenn man sie reitet. Hast du schon mal ein Pony geritten?“
„Ja, Liam. Ich bin schon oft auf einem Pony geritten. Meine Schwester hat ganz viele Ponys.“
„Auch gefleckte?“
„Ja, auch gefleckte.“
Plötzlich raschelte das Gebüsch und bewegte sich. Zwischen den sattgrünen Blättern tauchte ein rotblonder Haarschopf auf, der einem kleinen Jungen mit braunen Kulleraugen gehörte. Heather blickte erstaunt auf den Knirps hinab, der für nichts außer Eric Augen hatte.
„Haben die Ponys auch Fohlen? Und die sind ganz klein? Kleiner als ich?“
Heather beobachtete, wie Erics Gesicht beim Anblick des Jungen weich wurde. Es berührte sie mehr, als sie geahnt hatte.
„Ja, sie hat auch Fohlen. Gerade jetzt hat sie wieder zwei kleine Fohlen bekommen. Ein schwarzes und ein schwarz-weiß-geflecktes.“
Liams Augen leuchteten vor Begeisterung. „Die schwarz-weißen finde ich am schönsten.“ Er griff nach Erics Hosenbein und zupfte daran. „Wenn du mich adoptierst, dann könnte ich es einmal streicheln. Nicht?“
Der hoffnungsvolle Blick des Jungen trieb Heather beinah die Tränen in die Augen.
Eric beugte sich zu Liam hinunter und hob ihn auf seine Arme. „Weil du uns so gut geholfen hast, und wenn die beiden Schwestern nichts dagegen haben, dann hole ich dich nächste Woche einmal ab und wir fahren zu meiner Schwester. Und dann kannst du dort den ganzen Nachmittag die Ponys streicheln.“
„Wirklich?“ Die Freude des Jungen schien grenzenlos.
„Wenn die Schwestern nichts dagegen haben.“
„Aber natürlich nicht!“, rief Agnes freudig.
„Gut. Dann ist das abgemacht. Nächste Woche hole ich dich
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