Lost Secrets (Gesamtausgabe)
hätte.“
„Erinnern Sie sich noch an ihr Gesicht?“
Aus dem Augenwinkel nahm Heather wahr, dass Erics Hand zu seiner Hosentasche glitt. Er zog das Telefon hervor, während Schwester Annes Miene hart wurde.
„Ich werde dieses Gesicht nie vergessen. Ich habe es so lebendig vor mir, als stünde sie hier bei uns.“
„Lebendig genug, um sie einem Zeichner zu beschreiben?“, fragte Eric.
„Auf jeden Fall.“
Er wischte über sein Telefon und hatte kurze Zeit darauf Sally in der Leitung.
„Ich brauche einen Phantomzeichner im St. Marys. Einen guten! Am besten schicken Sie mir Ace.“
„Ist in einer Stunde vor Ort, Sir.“
Eric legte auf und wandte sich wieder Schwester Anne zu. „Fällt Ihnen sonst noch etwas ein?“
„Nein, tut mir leid. Ich erinnere mich an ihr Gesicht, an die schäbige Kleidung und dass sie ihr Kind vor unserem Kellerfenster entsorgt hat. Und das war mir, wenn ich ehrlich sein darf, damals auch weit mehr als genug.“
„Tatsächlich wissen wir, dass sie Zwillinge geboren hat.“
„Zwillinge?“ Die Nonne blickte verständnislos Heather an, als wollte sie sich bei ihr versichern, dass sie richtig gehört hatte, bevor sie sich wieder Eric zuwandte.
„Ja. Peter Bendons Zwillingsbruder wurde hier im St. Marys in der Kinderklappe … abgegeben.“
Schwester Anne zog die Stirn kraus. „Wer soll das sein?“
„Andrew Bowler.“
„
Was
?“ Die Schwester schien ehrlich schockiert und krampfte die Finger ineinander.
„Sie erinnern sich an ihn?“ Heather versuchte die Gefühle im Gesicht der Schwester zu lesen. Dort war von Unglaube, bis hin zu Schock und Verwunderung alles zu sehen. Die Nonne schluckte trocken.
„Ich weiß, dass ich in meiner Eigenschaft als Braut Christi eigentlich keine derartigen Dinge sagen darf, aber ich tue es trotzdem: Andrew war ein Teufel. Je älter er wurde, desto verderbter wurde er. Er hat nicht gespielt, er hat die Dinge kaputtgemacht, er hatte keine Freunde, er hatte Gefolge und Feinde. Einmal musste ich ein Kind retten, dass er an einen der Bäume gebunden hatte und gerade anzünden wollte.“ Sie schüttelte den Kopf. „Und das sind nur die Dinge, die ich mitbekommen habe bei den wenigen Gelegenheiten, in denen ich hier oben ausgeholfen habe. Agnes wird Ihnen noch viel mehr erzählen können. Sie kam hierher, als er ungefähr acht Jahre alt war.
Ich glaube, bei ihm war diese traurige Karriere aus Gewalt und frühem Tod praktisch vorprogrammiert. Er hatte nichts, aber auch gar nichts mit Peter gemein. Wenn man einmal vom Alter absieht.“
Heather versuchte die Informationen zu verarbeiten. „Und doch sind sie nun beide zu Mördern geworden“, sagte sie gedankenverloren.
„Schrecklich“, gab Schwester Anne niedergeschlagen zurück.
Eric stand auf. Offenbar waren es für ihn genug Informationen. „In einer knappen Stunde wird ein Polizeizeichner hier sein. Es wäre uns eine große Hilfe, wenn sie ihm Peter Bendons Mutter so genau wie möglich beschreiben könnten.“
„Aber natürlich.“ Sie lächelte, auch wenn es ihr sichtlich schwerfiel. „Wir sehen uns dann in der nächsten Woche, wenn Sie Liam abholen“, erinnerte sie Eric noch einmal.
„Auf jeden Fall.“
„Notfalls kann ich ihn auch bringen“, setzte sie mit milder Vehemenz nach.
„Sie können sich auf mich verlassen“, gab Eric zurück und wandte sich mit einem Lächeln zum Gehen.
*
„Wem willst du das Bild der Mutter zeigen?“, fragte Heather, als sie wieder im Auto saßen und auf dem Rückweg nach London waren.
„Es gibt im Einzugsgebiet der Kinderheime genug arme Gegenden. So wie Schwester Anne ihren Aufzug beschrieben hat, schwamm die Mutter nicht gerade im Geld. Wir werden es herumzeigen und hoffen, dass sie jemand wiedererkennt. Und wenn das der Fall ist, finden wir vielleicht einen Ort, einen Schlupfwinkel, irgendeinen Hinweis, der uns weiterbringt.“
„Das ist ziemlich dünn.“
„Ja, aber da wir nicht gerade behaupten können, dass wir in heißen Spuren schwimmen …“
Heather seufzte zustimmend. „Mir schwirrt der Kopf von diesen ganzen Geschichten. Es ist noch nicht einmal Mittag und ich würde am liebsten schon wieder ins Bett gehen.“
„Und führe mich nicht in Versuchung“, sagte Eric leise und rang ihr ein erschöpftes Lächeln ab.
„Wo fahren wir überhaupt hin? Meine Wohnung ist durchlöchert und dein Haus ist pulverisiert.“
„Mein Haus ist nicht pulverisiert. Es ist derzeit nur … teilweise nicht existent.“
„Das ist
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