Lost Secrets (Gesamtausgabe)
bis sie endlich den richtigen Schalter fand und leuchtete hinein.
Ihr Herz setzte aus. Und das Blut gefror ihr in den Adern. „Oh, großer Gott!“
Am anderen Ende des groben, feuchten Kellerraumes, kauerten insgesamt fünf Mädchen am Boden, hielten sich aneinander fest, wie kleine Kinder und starrten bibbernd in das grelle Licht der Taschenlampe.
„Eric!“ Ihre Stimme bebte vor Aufregung. „Eric, du musst herkommen! … du musst … oh, mein Gott!“
Die Mädchen waren knochendürr und saßen buchstäblich in ihrem eigenen Dreck. Dem Zustand der Kleider nach zu urteilen, mussten sie seit Wochen hier eingepfercht sein.
„Was ist?“, fragte Eric atemlos, der schnell zu ihr in den Keller geklettert war.
Sie nickte schwach in Richtung der Mädchen und er erstarrte regelrecht, als er sie sah.
Zitternd hoben sie die Arme vor die Augen, als er den Lichtstrahl auf sie lenkte, als hätten sie seit Tagen kein Licht gesehen. Zwei fingen an zu weinen, so verschüchtert und verängstigt waren sie. Und all das geschah, während Heather endlich anfing zu begreifen.
„Es ist wie damals“, sagte sie leise, woraufhin Eric sie fragend musterte.
„Wie meinst du das?“
„Als wir Bowlers Ring ausgehoben haben, waren die Mädchen genauso gefangen gehalten worden; in ihren eigenen Fäkalien, durch Schläge, Nahrungs- und Lichtentzug systematisch so gefügig gemacht, dass sie sich nicht mehr wehrten, als sie an Bordelle verkauft wurden.“ Heather schüttelte fassungslos den Kopf. „Bowler hat die Mädchen gar nicht alleine verschoben. Er hat es mit seiner Mutter zusammen gemacht, und jetzt, wo er tot ist …“
„… macht sie es alleine“, komplettierte Eric ihren Satz.
„Wir brauchen einen Notarzt für die Mädchen. Ruf die Verstärkung und sag ihnen, wo wir sind.“
„Davon würde ich abraten!“
Heather und Eric fuhren gleichermaßen zusammen. Seine Hand schnellte zu seiner Waffe.
„Dazu kann ich Ihnen auch nicht raten, mein Junge. Es sei denn, Sie wollen, dass ich dieses rote Elend auf der Stelle abknalle.“
Lady Carrington war bis auf ihre Figur und die Frisur kaum wiederzuerkennen. Wo sie sonst ein geschwätziges, neugieriges Lächeln auf dem Gesicht trug, war nun nichts als Kälte, Berechnung und Brutalität mehr zu finden. Sie hatte einen Revolver auf Heather gerichtet und die Art, wie sie ihn in der Hand hielt, ließ keinen Zweifel daran, dass sie wusste, wie man ihn bediente.
Eric senkte seine Schusshand.
„Werfen Sie die Waffe weg! Beide!“
Es blieb ihnen fürs Erste keine andere Möglichkeit, als zu gehorchen. Das Geräusch der Waffen, die auf dem Steinboden aufprallten, hallte verzerrt durch den langen Gang.
„Und wenn Sie nun die Tür zur Ware wieder verschließen würden …“
„Ware?“ Heather verzog angewidert das Gesicht. „Sie sind doch der letzte Dreck“, sprudelte es aus ihr heraus.
Plötzlich überspülte sie kaum zu bändigende Wut bei dem Gedanken, dass sie die Mutter von Jakes Mörder war; und dass sie all die Monate über Bescheid gewusst hatte und ihr mit dem scheinheiligsten Lächeln begegnet war.
„Das hab’ ich schon oft gehört, Heather. Und jetzt mach die verdammte Tür zu, sonst verpasst dir die Lady einen zweiten Bauchnabel.“
Eric reagierte schneller als sie und schob die Tür zu. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich durch derartig schmutzige und beklemmende Luken quetschen, Lady Carrington.“ Seine Worte waren ruhig und beherrscht.
„Das tue ich auch nicht, junger Mann. Dies ist ein alter Fluchttunnel des Hauses. Ich bin ganz bequem durch die Bibliothek eingestiegen, wenn Sie so wollen.“
„Wie überaus praktisch.“
„Allerdings.“ Lady Carrington holte tief Luft. Überflüssigerweise fiel Heather auf, dass ihre nackten Füße aus den dunklen Pumps hervorquollen.
„Junger Mann, ich verstehe überhaupt nicht, wie Sie sich in diesen rothaarige Abschaum verlieben konnten.“
Heather sog tief die Luft ein, beherrschte sich jedoch in der Hoffnung, dass Eric mit seiner lockeren Konversation irgendein Ziel verfolgte.
„Nun, soweit ich weiß, bin ich nicht der einzige, dem es so ergangen ist.“
Lady Carringtons Gesicht verlor das süffisante Grinsen. „Mills bedauerliche Schwäche hat uns viel Ärger und Arbeit beschert.“
„Sie nennen ihn ebenfalls Mills?“ Eric behielt den Plauderton bei.
„Aber natürlich. Ich habe ihn schließlich erschaffen. Aus dem ärmlichen Waisenkind Peter habe ich einen gefeierten Künstler gemacht. Es
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