Lost Vampire - Das Ende der Welt
vermasselt“, gab er zu. „Ich hätte sie nicht alleine fahren lassen dürfen.“
George fühlte sich zwar selbst schuldig, sah aber keinen Grund, Sam zu widersprechen.
„ Ich tue, was ich kann, damit Ever nichts passiert“, versprach Sam.
Jetzt war der Vampir ernsthaft überrascht. Er ging ein paar Schritte auf den alten Freund zu, als ließe sich auf kürzere Entfernung ein neuer Charakterzug an ihm entdecken. James räusperte sich und stieß die Eisentür auf, welche er gerade aufgeschlossen hatte. „Ich muss alle Reagenzien und Materialien für den Zauberspruch zusammenpacken. Ihr solltet euch bewaffnen, wenn ihr eure Chancen gegen Linestra aufbessern wollt.“
Der Raum hinter der Eisentür war gefüllt mit Waffen und rituellen Gegenständen, von denen gut die Hälfte dem Vampir schon beim reinen Ansehen physische Schmerzen bereitete. An den Wänden hingen scharfe und stumpfe Waffen aus den verschiedensten Kulturen. Die Schwerter, Dolche und Äxte trugen Runen und Verzierungen in ihren Klingen, während die Speere, Stöcke und Bögen kunstvoll geschnitzt und mit Talismanen gespickt waren. Auf Regalen lagerten Reliquien, Pistolen und Pflöcke. Ohne zu genau hinzusehen, griff der Vampir ein Rapier und einen Säbel von der Wand, die gut in der Hand lagen und ihm nicht die Finger verbrannten. Fechtwaffen waren das, womit er vor zwei Jahrhunderten halbwegs vertraut gewesen war.
„ Abgefahren“, hörte er Sam neben sich sagen. Die blonde Gestalt nahm eine zweiblättrige Streitaxt von der Wand, die beinahe so groß war wie er selbst. Die Klingen waren geformt wie die Pranken eines Bären.
Kurz darauf brachen sie auf. Zuerst wollte George alleine und als erster losziehen, doch der Wächter brachte ihn schnell von der Idee ab. Sie waren gemeinsam stärker und konnten kontrollierter gegen die Dämonin vorgehen. Ein Alleingang war unberechenbar und würde Ever nur noch mehr in Gefahr bringen als sie es jetzt schon war.
„ Auch wenn das schwer vorstellbar ist“, gab der Wächter zu, während er den Rücksitz von Georges Wagen mit den Utensilien für sein Ritual füllte. Die drei nutzten die Fahrt, um einige Planänderungen zu schmieden. Der Vampir fuhr schnell und es war keine Menschenseele auf der Straße. Am Himmel standen Saturn, Neptun und Jupiter sichtbar und bedrohlich in westlicher Richtung.
„ Linestras Sternenkonstellation“, stellte Sam trocken fest.
Die drei hatten vor, der Dämonin eine Falle zu stellen. Sam sollte sich an Linestra heranwagen und ihr anbieten, sich mit ihm zu verbünden. Der Wächter hoffte, dass sie arrogant genug sein würde, um sich von der Macht des Engels blenden zu lassen. Im Schatten dieses Schauspiels würde er mit seinem Ritual beginnen und im ersten Moment, der sich bieten würde, sollte George zuschlagen. Während des Kampfes zwischen Vampir und Dämonin musste es Sam gelingen, Ever in Sicherheit zu bringen, so schnell und so weit weg wie möglich.
Als sie dem Sunset Crater näher kamen, spürte der Vampir die Macht der Dämonin wie eine gigantische Faust, die sich um seinen Körper schloss und langsam fester zudrückte. Gefahr lag in der Luft, wie der schwere Geruch vor einem Gewitter, nur ohne die Verheißung auf baldigen Regen. Sie sahen den gewaltigen Berg in der Ferne glühen und dünne, gleißende Ströme zum Himmel emporsteigen wie Nordlichter in der Arktis.
„ Sie hat bereits begonnen“, murrte James grimmig. „Wir müssen uns beeilen.“
Rotes Licht erhellte den Gipfel des Vulkans, als Sam und George hinter einem Vorsprung im Wald die Lage sondierten. Flüssiges, sengend heißes Magma drängte sich durch feine Risse im Stein an die Oberfläche und Asche legte sich über alles, was das Licht berührte. Die Atmosphäre hatte nichts mehr mit der gelassenen Naturgewalt des uralten Orts gemein, die der Vampir bei seinem ersten Treffen mit Ever gespürt hatte.
Auf dem Kraterrand bildete eine brennende Linie scheinbar ein perfektes Dreieck, in dessen Mitte Evers Körper lag. Ihre Kleidung war zerrissen, sie atmete flach. Die Gestaltwandlerin blutete aus mehreren Wunden und ihr Lebenselixier tränkte die gierige Erde unter ihr. Linestra trug ein tiefrotes Kleid, das sich kaum von der Farbe ihrer Haarpracht unterschied. Es hüllte sie in einen bösen, blutigen Glanz.
George sah aus seinem Versteck die tiefen Einschnitte, die Evers Körper zeichneten und fühlte den Impuls sofort loszustürmen. Sams Finger schlossen sich fest um sein Handgelenk und
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