Lost Vampire - Das Ende der Welt
verstand intuitiv, dass er nun gehen sollte und so verließ er das Museum. Die Worte des Wächters hallten in seinem Kopf wie seine Schritte in den menschenleeren Gängen des Museums: Lukas ist finster geworden.
Draußen angekommen, sah der Vampir Ever und Sam an den Pickup gelehnt. Noch bevor er etwas sagen konnte, kam Ever ihm schon entgegen.
„ Ich muss noch einmal mit James sprechen“, rief sie aufgeregt. „Warte nicht auf mich – er passt schon auf mich auf. Wir treffen uns morgen bei Dämmerung.“ Dann hauchte sie ihm einen Kuss zu und verschwand in dem Gebäude.
„ Du willst mir also erzählen, dass du nur hier bist, weil ich eine Kochzutat in einem großen apokalyptischen Eintopf bin...“ Ever hatte James nicht die Zeit gelassen, auf ihre Rückkehr zu reagieren. Nun rang sie verzweifelt nach den passenden Worten. Ihr Kopf fühlte sich glühend heiß an und ihre Augen stachen.
„ Ever“, sagte James, als ob es alle Fragen beantworten würde. „Wir Wächter wehren uns gegen die Vorstellung von Schicksal. Wir verachten das Gesetz des Unvermeidlichen. Deswegen vertrauen wir auf keinen Glauben oder eine höhere Überzeugung, sondern ausschließlich auf die Sammlung und Auswertung von Informationen.“
Sie biss sich auf die Unterlippe und seufzte dann. „Das ist ein beruhigender Gedanke, aber es ändert nichts daran, dass du mich belogen hast.“
„ Lügen ist ein sehr menschliches Konzept“, analysierte er höflich. „Ich habe das Thema noch nicht angesprochen, da es mir sicherer erschien. Ich habe dir von Anfang an erklärt, dass ich sehr kalkulierte Absichten habe, auch was dein Training betrifft. Das schien dich nie zu stören.“
„ Ich mag es, wenn man mit mir ehrlich ist“, entgegnete sie und machte eine Pause, sprach jedoch weiter, nachdem der Wächter nichts erwiderte. „Ich habe immer auf dich vertraut, James, und zurzeit ändert sich so vieles gleichzeitig... Es ist alles so verwirrend, dass ich überhaupt nicht darüber nachdenke, wie gefährlich die Lage ist.“
„ Lass' mich für dich denken: Die Lage ist lebensgefährlich“, erwiderte der Mentor und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. Es war eine seltene Geste, da er Körperkontakt ansonsten mied. „Wenn ich du wäre, würde ich meine Sorgen auf die Zeit nach dem Ende der Welt verschieben.“
„ Klingt so albern wie sinnvoll, wenn du es so sagst.“ Sie lächelte vorsichtig. „James, ich habe mich über etwas gewundert.“
„ Das wäre?“, erkundigte James sich interessiert, während er zu seinen Regalen zurückkehrte.
„ Du sagtest, dass dein Zauberspruch die Dämonin aus ihrem Körper löst, sie schwächen und bannen wird“, rekapitulierte Ever den besprochenen Plan.
„ Das ist richtig.“
„ Was ist dann mit Sam? Ist er dann nicht ebenfalls in Gefahr?“ Sie presste die Lippen aufeinander als könne ein falsches Wort entweichen. „Ist er in deiner Kalkulation dann einfach der Kollateralschaden?“
„ Sam?“ Ihr Mentor lachte. „Um Sam brauchst du dir nicht die geringsten Sorgen zu machen.“
Ever kam sich schrecklich dumm vor. „Wieso?“, wollte sie dennoch vom Wächter wissen.
„ Ever“, sagte James noch immer sehr amüsiert und wandte sich wieder seinen Büchern zu, die noch auf seinem Schreibtisch lagen, „weder Linestra noch ich können Sam schaden, weil Sam kein Dämon ist.“
Ever verstand nicht. Sie hasste es, dass jede Antwort des Wächters eine neue Frage aufwarf.
„ Und was ist Sam?“, fragte Ever nun forscher, schon fast genervt.
„ Sam ist ein gefallener Engel“, antwortete James in einem vollkommen selbstverständlichen Tonfall, so als seien alle anderen Wesen offenbar blind.
Ever hörte dem Wächter überrascht zu, während dieser beiläufig den Fall Samaels vom Himmel auf die Erde beschrieb. Die Art der Wächter war vor zig tausenden Jahren entstanden, als das Licht der Erkenntnis zum ersten Mal auf die Erde gebracht wurde. Der Engel Samael, so viel wusste James, war zutiefst beschämt darüber, dass der hochmütige Himmel das Licht der Erkenntnis nach dem Fall des römischen Reichs seinen menschlichen Hütern weggenommen hatte.
„ Es liegt am Verlust von Wissen und Weisheit in jener Zeit, dass es über den Raub des Lichts und seine zweite Rückkehr keine klaren Quellen gibt“, vermutete James. „Wahrscheinlich war Samael nach Jahrhunderten des Stillstands der Situation überdrüssig, den die fehlende Erkenntnis auf Erden verursachte. Er
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