reingefallen? Es sieht ganz danach aus. Das Zusatzkonzert, von dem Mike erzählt hat, findet jedenfalls statt. Selbst bei uns in Michelstadt wurde dafür plakatiert. So richtig freuen kann ich mich aber nicht darauf. Irgendetwas in mir hat sich verändert. Im Stillen hatte ich halt doch gehofft, Ellen-Jos Geburtstagstheorie würde stimmen. Und was Mike über die Machenschaften des Managers erzählt hat, geht mir nicht mehr aus dem Kopf.
Aber was kann Rico dafür, wenn sein Manager ein Betrüger ist? Wenn ich ihn liebe, wirklich liebe, muss ich nun erst recht zu ihm halten.
Mein PC wird auch jeden Tag langsamer. Endlich bin ich drin im weltweiten Web, bekomme drei ungelesene E-Mails angezeigt: Werbung von einem CD-Versand, eine von Ellen-Jo und eine von Mike. Die Werbung lösche ich ungelesen und öffne zuerst die Post von Ellen-Jo.
From:
[email protected] To:
[email protected] Re: Worries
Hi sweetie,
What’s wrong? Did I hurt you somehow? Did I annoy you? You haven’t written to me, you haven’t called me, you don’t answer my calls, and you ignore my text messages. Why are you being so → unfriendly ? Should I be worried about our friendship? Please contact me.
Love,
Ellen-Jo
Ja, ich habe auch ein schlechtes Gewissen. Im Moment ist mir nicht nach Ellen-Jo, nach klugen Ratschlägen, nach Horoskopen und Theorien.
From:
[email protected] To:
[email protected] Re:Re: Worries
Hi Ellen-Jo,
Sorry, but I’m busy. I’ll get in touch soon.
See you,
Amelie
Ein Mausklick, schon sind meine Worte versendet und nicht mehr rückgängig zu machen. Bin ich das, die gerade so kalt und fremd ihrer besten Freundin geschrieben hat? Besser nicht lange darüber nachdenken. Noch ein Mausklick, und ich kann lesen, was Mike mir aus London geschrieben hat:
From:
[email protected] To:
[email protected] Re: Tickets
Hi Amelie,
I haven’t forgotten you. In fact, I think of you often. The evening with you was wonderful. I hope we can → continue our talk when we come to Frankfurt for the concert. I couldn’t see about getting tickets before today because I had an awful toothache after we got back to London. Now I’m over the worst and I’m fine. I’ve sent the tickets by post. Looking forward to seeing you again in Frankfurt!
I’m → attaching two poems that I wrote. Do you like poems? If not, you can → delete them.
Greetings from London
Mike
Meine Stimmung hellt sich auf. Ich habe Mike also doch richtig eingeschätzt: ein Typ, auf den man sich verlassen kann. Und er schreibt Gedichte! Deutsche Jungen schreiben keine Gedichte. Ich kenne jedenfalls keinen einzigen.
Ich öffne die Datei, speichere sie in meinem Aktenkoffer, verabschiede mich aus dem Internet und lese offline Mikes Verse.
Summer
The sun is → gilding the sky;
I see its gold in your hair.
I dream of you and I want
To → wander with you to the stars.
Hübsch. Hat er dabei an mich gedacht? Und wenn es so wäre, sollte ich mich darüber freuen?
→ Longing
A → glance in your eyes,
A soft touch.
Your blue eyes are
Deep like a lake.
In my dreams I → stroke
Your → velvet skin.
At night I → embrace my pillow
And whisper your name in your ear.
Er meint mich! Warum sonst schickt er mir gerade diese beiden Gedichte? Mike ist verknallt in mich! Ich habe keine Ahnung, was ich davon halten soll. Seine Worte lösen in mir ein warmes und weiches Gefühl aus. Aber sie verwirren mich auch. Er sieht gut aus, scheint klug zu sein, schreibt Gedichte und im Gegensatz zu Rico lebt er nicht in einer Welt, zu der ich offenbar keinen Zutritt habe.
Der Vanilletee ist kalt geworden. Ich brühe mir eine neue Tasse und muss dann unbedingt mit Ellen-Jo quatschen.
“Hi, how are you?”
“I read your e-mail”, antwortet Ellen-Jo eisig.
“Yes, I’m really sorry”, sage ich etwas kleinlaut.
Ellen-Jo schweigt. Im Hintergrund läuft total laute Musik, irgendetwas Klassisches. Ich wiederhole meine Entschuldigung. Ellen-Jo schaltet auf stur.
“Wenn du nicht mit mir reden willst, kann ich’s auch nicht ändern”, blaffe ich sie an und beende mit einem Knopfdruck die Verbindung. Doch das schlechte Gewissen nagt an mir. Es muss ihr echt mies gehen, wenn sie wegen meiner E-Mail so durch den Wind ist. Keine fünf Minuten später rufe ich sie wieder an.
“Ellen-Jo, it’s Amelie again. Listen, I’m really sorry. I didn’t mean to → upset you, it’s just ...” Weiter komme ich nicht. Ellen-Jo heult und schnieft