Love at Second Sight - Liebe auf den zweiten Blick
Ellen-Jo und ich schauen weg. Das Verhalten der Erwachsenen im Allgemeinen und von Müttern und Vätern im Besonderen ist manchmal oberpeinlich!
“Fear of → loss ”, konstatiert Ellen-Jo, aber ich höre ihr eigentlich gar nicht richtig zu. In meinen Gedanken bin ich schon bei Rico und Mike, beim Treffen nach dem Konzert. Werden wir nur mal kurz hinter die Bühne geführt? Oder dürfen wir anschließend noch mit ihnen in eine Kneipe oder Disco gehen?
“It’s nice when someone takes care of you without being → pushy ”, sagt Ellen-Jo.
“Maybe”, brumme ich. “What does my horoscope say today?”
“You aren’t really interested, are you?”, gibt Ellen-Jo sich kratzbürstig. “You don’t believe in the stars anyway. You only believe in what you can see and touch – even though there are so many things that our minds cannot → grasp . You’ve got no idea.” Sie unterstreicht ihre Meinung mit einer abwertenden Handbewegung. Was ist nur in sie gefahren? Hat sie es darauf angelegt, mich zu verletzen?
“Ellen-Jo Pussalla, I admit that out of the two of us you’re the know-it-all, but I’m not stupid. I know perfectly well that there are some things in the world that can’t be explained. That’s all right.”
“And why is it all right?”, schnarrt Ellen-Jo.
“How should I know!”
Bis zum Frankfurter Hauptbahnhof reden wir kein Wort mehr miteinander. Ich habe keine Lust, mir von Ellen-Jo die Stimmung vermiesen zu lassen, und tue einfach so, als würde ich allein in der S-Bahn sitzen. Fahren und träumen: Rico hat ja inzwischen meine Briefe gelesen, wenn es stimmt, was Mike mir geschrieben hat. Ich kann es kaum erwarten, ihm endlich gegenüberzutreten, der größte Augenblick in meinem Leben. Gerade versuche ich, mir unser Zusammentreffen in den leuchtendsten Farben auszumalen, da überläuft es mich heiß und kalt. Mike steht plötzlich zwischen mir und Rico. Der süße Mike, der wahrscheinlich in mich verliebt ist. Ich bin mir sogar ziemlich sicher. Warum sonst hätte er mir die Gedichte geschickt? Er hat sich ja sogar mit Ricos Worten geschmückt, um mir zu imponieren. Da bin ich sowieso mal gespannt, wie er mir das erklären will. Kann es sein, dass meine Vorfreude auf Mike stärker ist als auf Rico? Auf einmal wird Rico zu einem kleinen Farbtupfer, der von Mikes Leuchtkraft überdeckt wird und ...
“We have to get off!” Ellen-Jo schreit, als ginge es um Leben und Tod. Ich bleibe die Ruhe selbst, schlendere gemächlich zur Tür und warte auf dem Bahnsteig, bis sie ihren schweren Rucksack aus der Bahn gehievt hat.
“Do you know where we have to go?”, fragt sie kurzatmig.
“To the Glasfabrik”, antworte ich.
“And you know how to get there?” Ellen-Jo hockt sich auf ihren Rucksack und stiert der abfahrenden Bahn hinterher. Ich frage eine Frau, einen Mann, noch eine Frau, einen Mann in einer blauen Uniform. Niemand kennt die Glasfabrik.
“Great → planning ”, mosert Ellen-Jo. Sie schultert den Rucksack, studiert einen Fahrplan: “The next train back to Darmstadt leaves in ten minutes.”
Ich könnte Ellen-Jo erwürgen und nehme mir vor, mit ihr niemals wieder irgendwohin zu fahren.
“You can go back”, sage ich. “Nobody’s stopping you. Bye.”
Wenn Blicke töten könnten, wäre ich nun dreimal gestorben. Plötzlich taucht auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig eine Gruppe kreischender Mädchen auf. Sie haben sich untergehakt und grölen: “Do you know how much I love you ...” Ein Mädchen kickt eine leere Coladose auf die Gleise, eine andere schwenkt ein Stück Pappe: Rico I love you ...
Selbst der dümmste Detektiv wüsste sofort, wohin sie wollen. Nur Ellen-Jo scheint absolut nichts zu schnallen.
“We have to go to the other platform!”, rufe ich.
“If you say so.”
Ich helfe ihr, den Rucksack zu tragen. In letzter Sekunde erreichen wir die Bahn.
“That was just in time”, schnaufe ich.
Ellen-Jo nickt bloß und kaut auf der Unterlippe. Ich spreche eines der Mädchen an. Vier Stationen später müssen wir aussteigen und haben nur noch einen Fußmarsch von fünf Minuten vor uns.
“In this → heat an open air concert would be much better”, meint Ellen-Jo.
Da kann ich ihr nur beipflichten.
“Are you still cross with me?”, fragt sie.
Statt einer Antwort bleibe ich stehen, nehme sie in die Arme und drücke sie ganz fest.
“It’s → idiotic that we’re → arguing all the time”, sage ich.
“Yes”, antwortet sie. “ → By the way ,
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