Love Story: Roman (German Edition)
und einen Schokoladekuchen mit Vanilleeis (für sie).
«Ich heiße Jennifer Cavilleri», sagte sie, «und meine Ahnen stammen aus Italien.»
Als ob ich das nicht gemerkt hätte. «Und ich studiere Musik», setzte sie hinzu.
«Ich heiße Oliver», sagte ich.
«Vorne oder hinten?» fragte sie.
«Vorne», sagte ich und gestand dann, daß mein voller Name Oliver Barrett lautete (ich meine, das war der wichtigste Teil davon).
«Oh», sagte sie, «Barrett, so wie die Dichterin?»
«Ja», sagte ich. «Aber nicht verwandt.»
Während der nun folgenden Pause sprach ich innerlich ein Dankgebet, daß sie nicht die übliche peinliche Frage gestellt hat: «Barrett? Wie das Barrett-Auditorium?» Es ist meine höchst private Crux, daß ich mit dem Kerl verwandt bin, der das Barrett-Auditorium gestiftet hat, das größte und häßlichste Gebäude der ganzen Universität, ein Kolossaldenkmal für den Reichtum, die Eitelkeit und den übertriebenen Harvard-Fimmel meiner Familie.
Danach war sie ziemlich still. War uns so schnell schon der Gesprächsstoff ausgegangen? Hatte ich sie damit vor den Kopf gestoßen, daß ich nicht mit der Dichterin verwandt bin? Was war es? Sie saß einfach da und sah mich mit halbem Lächeln an. Um etwas zu tun zu haben, besah ich mir ihr Studienbuch. Ihre Handschrift war ulkig – kleine, gestochene Buchstaben und keine großen Anfangsbuchstaben dabei. Ja, wer glaubte sie denn zu sein: stefan george? Und sie hatte einige recht anspruchsvolle Kurse belegt: Vergleichende Literaturgeschichte 105, Musik 150, Musik 201 –
«Musik 201? Ist das nicht ein Seminar für Fortgeschrittene?»
Sie nickte und schaffte es nicht ganz, ihren Stolz zu verbergen.
«Polyphonie der Renaissance.»
«Und was ist Polyphonie?»
«Nichts, was mit Sex zu tun hat, Internatler.»
Warum ließ ich mir das gefallen? Las sie denn nicht den Crimson ? Wußte sie denn nicht, wer ich war?
«He, wissen Sie denn nicht, wer ich bin?»
«Aber ja doch», sagte sie ziemlich geringschätzig, «Sie sind der Knilch, dem das Barrett-Auditorium gehört.»
Sie wußte also nicht, wer ich war.
«Das Barrett-Auditorium gehört mir nicht», wortklaubte ich. «Mein Urgroßvater hat es Harvard zufällig geschenkt.»
«Damit sein Urenkel bestimmt reinkommt, was?»
Das war denn doch der Gipfel.
«Jenny, wenn Sie so überzeugt sind, daß ich eine Flasche bin, warum haben Sie mich dann so getriezt, bis ich Sie zum Kaffee eingeladen habe?»
Sie sah mir freimütig ins Gesicht und lächelte. «Dein Körper gefällt mir», sagte sie.
Zum Gewinnen gehört, daß man gut zu verlieren versteht. Das hat mit paradox gar nichts zu tun. Es ist typisch Harvard, daß man dort jede Niederlage in einen Sieg verdreht.
«Das war ja Pech, Barrett. Sie haben jedenfalls phantastisch gespielt!»
«Also ich bin richtig froh, daß ihr Jungens es geschafft habt. Ich finde, ihr hattet es so nötig, mal zu gewinnen.»
Natürlich ist ein totaler Sieg besser. Ich meine, wenn man die Wahl hat, dann ist das Tor in letzter Minute vorzuziehen. Und als ich Jenny in ihr Wohnheim zurückbegleitete, hatte ich die Hoffnung keineswegs aufgegeben, doch noch einen Sieg über diese rotznäsige Radcliffe-Zicke davonzutragen.
«Hör mal, du Radcliffe-Zicke, am Freitag abend ist Eishockey gegen Dartmouth.»
«Na und?»
«Und ich möchte, daß du dort hinkommst.»
Sie reagierte mit der in Radcliffe üblichen Ehrfurcht vor allem Sportlichen:
«Warum zum Kuckuck soll ich zu so einem blöden Eishockey fahren?»
Ich antwortete beiläufig: «Weil ich mitspiele.»
Es entstand eine kurze Pause. Mir war, als hörte ich Schneeflocken rieseln.
«Auf welcher Seite?» fragte sie.
2
Oliver Barrett IV
20 Jahre
Ipswich, Mass.
1,80 m, 83 kg
Hauptfach: Soziologie
Auf der Ehrenliste des College wegen besonderer Leistungen: 1961, 1962, 1963
Erste All-Ivy-Mannschaft [1] : 1962, 1963
Berufsziel: Anwalt
Mittlerweile hatte Jenny meinen Lebenslauf im Programm gelesen. Ich vergewisserte mich dreimal, daß Vic Claman, der Manager, ihr eines verschafft hatte.
«Kruzitürken, Barrett, ist wohl deine erste Flamme?»
«Halt den Mund, Vic, oder du verschluckst dich gleich an deinen ersten Zähnen.»
Während wir uns auf dem Eis warmliefen, winkte ich ihr nicht, schaute überhaupt nicht zu ihr hin (so was ist ja ein alter Hut!). Und doch hat sie, glaube ich, gemeint, daß ich zu ihr rüberschaue. Ob sie wohl, während die Nationalhymne ertönte, aus lauter Ehrfurcht vor der
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