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Acacia

Titel: Acacia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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    Der Attentäter verließ die Mein-Feste Tahalia durch das große Vordertor; er ritt durch eine Lücke in den gepanzerten Kiefernbalken, die gerade breit genug war, um ihn durchzulassen. Er brach bei Sonnenaufgang auf, gekleidet wie ein gewöhnlicher Soldat der Mein. Bekleidet war er mit einem Umhang aus Elchfell, der seinen Körper vollständig bedeckte. Er umschloss sogar seine Beine und wärmte das breithufige Pferd unter ihm. Sein Oberkörper wurde von einem doppelten Brustharnisch geschützt: zwei Eisenplatten, die seinen Körperkonturen angepasst waren, mit einer Lage Otterfell dazwischen. Er ritt in südlicher Richtung in die schneeglitzernde Winterlandschaft hinaus.
    Es war so bitterkalt, dass in den ersten Tagen sein Atem gefror. Die gefrorene Atemfeuchtigkeit wirkte wie eine Mundausstülpung, in die er wie in einen Kanal hineinatmete. Eisknoten hafteten in seinem Bart und klimperten leise wie ein Glockenspiel aus Glas. Der Mann begegnete nur wenigen Menschen, selbst dann, wenn er durch Siedlungen mit niedrigen, kuppelförmigen Hütten kam. Im Schnee entdeckte er die Spuren von Polarfüchsen und Hasen, bekam die Tiere aber nur selten zu Gesicht. Einmal beobachtete ihn von einem Findling aus eine Schneekatze mit unentschlossenem Blick, als wüsste sie nicht, ob sie vor dem Reiter flüchten oder ihm nachsetzen sollte. Am Ende blieb sie einfach sitzen, und der Mann ließ sie hinter sich zurück.
    Ein andermal blickte er von einer Anhöhe aus auf eine Ebene hinunter, auf der es von Rentieren wimmelte. Der Anblick erschien ihm wie eine Vision aus ferner Vergangenheit. Zunächst glaubte er, auf eine Versammlung aus der Geisterwelt gestoßen zu sein. Dann aber stieg ihm die Ausdünstung der Tiere in die Nase. Damit war der Zauber gebrochen. Er ritt in die Herde hinein, erfreute sich am Anblick der vor ihm auseinanderstiebenden Tiere und spürte das Grollen ihres Hufgetrappels in der Brust.
    Hätte das Land immer noch den Mein gehört, so hätte er die Tiere vielleicht gejagt, wie seine Vorfahren es getan hatten. Doch sein Wunsch änderte nichts an der Realität. Das Volk der Mein, das hohe Nordplateau gleichen Namens, die gewaltige Feste Tahalia, das Königsgeschlecht, das ohne fremde Einmischung über das Gebiet hätte herrschen sollen: Dies alles stand seit fünfhundert Jahren unter acacischer Herrschaft. Sie waren besiegt und massenweise massakriert worden und wurden seither von fremden Gouverneuren beaufsichtigt. Man hatte ihnen ungerechte Steuern auferlegt und ihnen die kampffähigen Männer geraubt, von denen viele im acacischen Militär dienten, in fernen Ländern, außer Hörweite ihrer Ahnen. Zumindest betrachtete es der Reiter so - als eine Ungerechtigkeit, die auf Dauer nicht hinzunehmen war.
    Zweimal wich er in der ersten Woche von der Hauptstraße ab, um den Wachposten der Nordgarde aus dem Weg zu gehen. Seine Papiere waren nicht zu beanstanden. Es war nicht damit zu rechnen, dass man ihn aufhalten würde, doch er hatte kein Vertrauen in die Acacier, und allein die Vorstellung, so tun zu müssen, als erkenne er ihre Vormachtstellung an, war ihm zuwider. Jeder Bogen führte ihn näher an die Schwarzen Berge heran, die parallel zu seiner Route verliefen. Konnte man den alten Geschichten Glauben schenken, waren die Gipfel Speerspitzen, die ein Volk zorniger Riesen, das unter der Haut der Erde lebte, ins Dach seiner Welt gerammt hatte.
    Nach zehn Tagen gelangte er zum Methalischen Rand, der Südgrenze des Mein. Hier hielt er einen Moment inne und betrachtete im Bewusstsein, dass er nie wieder die Luft des Hochlands atmen würde, das dreitausend Fuß tiefer gelegene üppige Waldland. Er nahm seinem Pferd das Zaumzeug ab und ließ es zu Boden fallen. Dann wählte er ein leichteres Zaumzeug aus, das keine Rückschlüsse auf seine Herkunft zuließ. Obwohl es noch immer kalt und das Land mit Reif bedeckt war, löste er den Umhang und ließ auch ihn zu Boden fallen. Er zog den Dolch und durchschnitt das lederne Helmband, schleuderte den Helm ins Gebüsch und schüttelte sein langes, braunes Haar aus. Von der Enge des gehämmerten Metalls befreit, flatterte es im Wind, als freue es sich über seine wiedergewonnene Freiheit. Sein Haar war einer der Gründe, die ihn veranlasst hatten, den Auftrag anzunehmen. Während die Mehrheit der Mein strohfarbenes Haar hatte, war das seine braun, was ihm schon immer peinlich gewesen war.
    Nachdem er den Brustpanzer unter einem Baumwollhemd versteckt hatte, machten sich

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