Love Takes a Detour - Liebe auf Umwegen
Brief in der Tasche meiner Jeans und las ihn mir noch mal gründlich durch, diesmal im Bewusstsein, dass er ein Liebesbrief war. Und da las er sich plötzlich ganz anders.
Hi Nike,
ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, dir das zu sagen – aber ich denke, ich muss es einfach tun. Also: Hella hat Recht, ich hab mich verliebt.
So, jetzt ist es raus. Ich hoffe, wir können trotzdem Freunde bleiben.
Marco
Marco hatte sich nicht in ein anderes Mädchen verliebt, sondern in mich. Aber warum schrieb er das dann nicht, der Trottel? Und warum hoffte er, wir könnten Freunde bleiben? Sollte er nicht lieber hoffen, wir würden mehr werden als Freunde? Womöglich war er der Überzeugung gewesen, dass ich seine Gefühle nicht erwiderte, aber er wollte meine Freundschaft nicht verlieren. Er himmelte mich an und ich sollte es wissen, nur für den Fall, dass ich doch interessiert war. So sah es aus. Und ich oberdoofe, superdämliche, megabescheuerte Kuh hatte es nicht geschnallt.
Cathy hatte also recht: Es war alles ein großes Missverständnis.
Aber was war mit Gina? Mit der hatte er doch Händchen gehalten. Nun, vielleicht aus dem gleichen Grund, aus dem Annika sich an Tom herangemacht hatte: um mich eifersüchtig zu machen. Na, das war ihm gründlich gelungen. Oder er hatte ihr einfach nicht widerstehen können. So ging es schließlich fast allen Jungs.
Die Unterhaltung an der Schaukel war so ziemlich meine letzte Chance gewesen, ihn zurückzuerobern. Marco hatte wissen wollen, was ich über den Brief dachte. Anders ausgedrückt: Er wollte wissen, was ich für ihn empfinde. Und ich hatte geglaubt, er wollte wissen, ob wir Freunde bleiben könnten, auch wenn er mit Gina ging, weil ich dachte, dass er dachte, ich wäre in ihn verknallt. Was für ein Durcheinander.
Danach hatte ein Missverständnis zum nächsten geführt, weil ich so in Fahrt war, dass ich nicht aufhören konnte, patzig zu Marco zu sein. Und dann dieser oberdämliche Satz: “Ist schließlich dein Problem, wenn du dich in das falsche Mädchen verliebst.”
Blöd, blöd, blöd. Ich hatte Gina gemeint, aber er hatte es natürlich anders verstanden. Es hatte geklungen, als wäre ich das falsche Mädchen für ihn, weil ich mir nichts aus ihm machte.
Am liebsten hätte ich ihn sofort angerufen, um das Missverständnis aufzuklären, doch so übermüdet wie ich war, hätte ich garantiert noch mehr Unfug geredet.
Ich trank die Milch aus, legte mich ins Bett, drückte das Eisbärchen, das Marco mir geschenkt hatte, innig an mich und schlief aus schierer Verzweiflung doch noch ein.
Es war fast Mittag, als ich aufwachte. Ich putzte mir die Zähne und starrte dabei wütend mein Spiegelbild an. Mit gerunzelter Stirn und einer schäumenden Zahnbürste zwischen den gefletschten Zähnen sah ich echt zum Fürchten aus.
Im Wintergarten kam mir Opa Lila mit einer Pfanne in der Hand entgegen. Er trug schon wieder die Schürze mit der nackten Frau drauf. Oder immer noch. Opa Lila war durchaus zuzutrauen, dass er in dem Teil geschlafen hatte.
“Schapiegeleijeijei”, jubilierte er und schüttete reichlich davon auf meinen Teller. Dem knallenden Geräusch nach zu urteilen, hatte er das Ei bis zur Versteinerung gebraten.
“Der Toast kommt auch gleich.”
Aus der Küche roch es verbrannt und so sah der Toast dann auch aus.
“Warum macht Chris nicht das Frühstück?” Dann wäre es wenigstens genießbar, fügte ich in Gedanken hinzu.
“Den habe ich zum Bügeln verdonnert, damit Rüdiger am Montag wieder Hemden fürs Büro hat.” Opa schenkte schwungvoll Tee in meine Tasse, wobei das meiste in der Untertasse landete. “Ups. Hihi.”
Ich kratzte mit dem Messer die verkohlte Schicht vom Toast. “Sag mal, hast du gestern zu viel Weißbier getankt?”
“Nein, ich bin nur ein wenig liebestrunken.”
“Sag bloß es hat gefunkt zwischen dir und Tante Hella?”
“Nicht nur gefunkt. Es hat geknattert, gezischt und geraucht.”
So genau hatte ich es auch nicht wissen wollen.
“Komisch, dass du von allen am längsten geschlafen hast, wo du doch als Erste gegangen bist”, meinte Opa Lila. “Sogar Tom hat schon gefrühstückt und sich auf den Weg zu seiner Annika gemacht. Ganz süß, die beiden. Es war überhaupt eine sehr romantische Party. Du hast echt was verpasst.”
Ich starrte auf die glasigen Spiegeleier und kämpfte mit den Tränen.
Chris kam rein, ein hellblaues Hemd mit spitzen Fingern vor sich hertragend. “Does this look → ironed or not?” Er
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