Love Takes a Detour - Liebe auf Umwegen
die Treppe runter, da klapperte der Briefkasten an der Haustür. Das musste die Zeitung sein. Ich ging sie holen, um darin zu blättern, während ich mein Wasser trank. Mir war jede Abwechslung willkommen.
Doch als ich die Briefkastenklappe öffnete, sah ich im fahlen Dämmerlicht einen weißen Umschlag, auf den ein Herz gemalt war, in dem fünf Buchstaben standen.
Ich schloss die Klappe wieder, als könnte ich den Umschlag dadurch wegzaubern. Es konnte nur Ginas Idee gewesen sein, dass Annika noch einen Brief schrieb.
Wo sollte das nur hinführen? Ich konnte doch nicht ständig ihre Briefe abfangen und sie beantworten. Genau genommen war das sogar strafbar. Und moralisch verwerflich. Und ganz, ganz schlecht für meine Nerven. Ne, damit musste Schluss sein. Sollte Chris den Brief eben lesen und sich selbst einen Reim darauf machen. Ich hatte keinen Durst mehr und ging ins Bett zurück.
Als ich zwei Stunden später zum Frühstück wieder runterkam, lag der Umschlag groß und breit auf meinem Teller, und als ich genau hinsah, erkannte ich, dass mitten in dem Herz nicht CHRIS stand, sondern NIKE. Und dahinter ein Ausrufezeichen, das ich für den fünften Buchstaben gehalten hatte.
Chris wünschte mir einen wunderschönen Morgen. Ronny und Sven glotzten mich erwartungsvoll an. Opa Lila machte den Mund auf, um etwas zu sagen, überlegte es sich aber anders. Tom war noch nicht aufgestanden.
Ich tat so, als würde mich der Brief überhaupt nicht interessieren, hob den Teller hoch, legte den Umschlag darunter und schaufelte mir Rührei auf den Teller. “Hm, scrambled eggs. You’re spoiling us, Chris.”
Tatsächlich hätte Chris genauso gut eingeweichte Wattebällchen zum Frühstück servieren können, ich hätte den Unterschied nicht geschmeckt. Mich beschäftigte die ganze Zeit die Frage, von wem der Brief sein konnte. Spielten mir meine Brüder einen Streich? Ne, das war eher Opa Lila zuzutrauen. Hatte ich einen heimlichen Verehrer? Nicht, dass ich wüsste. Aber wenn es ein heimlicher Verehrer war, dann konnte ich ja nichts von ihm wissen.
Ich fuhr mit einer Scheibe Toast durch die Rühreireste, entschuldigte mich und verschwand mit dem Brief auf meinem Zimmer.
Dreimal tief durchgeatmet, dann ratschte ich den Umschlag auf.
Hi Nike,
ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, dir das zu sagen – aber ich denke, ich muss es einfach tun.
Also: Hella hat recht, ich hab mich verliebt.
So, jetzt ist es raus. Ich hoffe, wir können trotzdem Freunde bleiben.
Marco
Es war wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Voll auf die Nase. Warum tat er mir das an?
Götter essen keine Fischstäbchen
Ich war noch weit davon entfernt, mich von dem Schock erholt zu haben, da wurde die Zimmertür aufgerissen. Es war Ronny mit dem Telefonhörer in der Hand.
“Da ist eine Frau am Apparat, die heißt wie ein Monat, und sie heult, und ich hab keine Ahnung, was sie will. Kannst du mit ihr sprechen? Chris ist einkaufen gegangen und Opa Lila dekontaminiert seine Ohrlöcher.”
“Desinfiziert”, verbesserte ich ihn automatisch, dann griff ich wie ferngesteuert nach dem Hörer. “Ja?”
“Is that you, Nike? It’s Juliet.” Ein Schluchzer. “Those kids are killing me. They’re monsters. I don’t know what to do. They’re practically → dismantling everything.”
Im Hintergrund erscholl wildes Gebrüll.
“Where are you? At the zoo or in the jungle?”
“No, I’m here, at home.” Ich hörte, wie eine Tür geschlossen wurde, dann verstand ich Juliet besser. “ → I’m at my wits’ end . I can’t → handle these terrible kids. I need someone to help me. Where’s Chris?”
“He went shopping. But why don’t I come over and help you?”
“Don’t you have to go to school today?”
“Theoretically, but to tell the truth, I can’t stand the thought of seeing Gina and Marco holding hands again.”
“Sounds as if something happened that changed everything. OK, Nike, come over. We’ll try and sort it all out together.”
“You mean both your monster kids and my love life?”
“Right.”
“I’m on my way.”
Ich steckte den Brief ein und machte mich auf die Socken.
Die Wohnung von Juliets Gastfamilie lag im dritten Stock eines Sechsfamilienhauses. Schon von der Straße aus konnte ich die Kinder toben hören. Ich klingelte.
Juliet ließ mich rein. “I’m so glad you’re here”, begrüßte sie mich. “I’m not sure what happened. The first week, the kids behaved really well, like angels. The
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