Brockmann Suzanne
1. KAPITEL
D as war nicht gut. Das war gar nicht gut. Noch ein paar Minuten, und ihr gesamtes Team würde niedergemetzelt werden.
Da draußen in der schwülen Julinacht wartete eine kleine Armee von Terroristen nur darauf loszuschlagen. Die „Tangos“, wie die Navy SEALs sie für gewöhnlich nannten, besaßen nicht weniger gefährliche Waffen als die, die P. J. Richards in ihren schweißnassen Händen hielt.
Die junge Frau versuchte, ihren Herzschlag zu kontrollieren, während sie schwer atmend durch die Dunkelheit robbte. Das Adrenalin, das durch ihre Adern rauschte, sollte doch zu ihrem Vorteil arbeiten – nicht gegen sie.
Das Kommando führte FInCOM-Agent Tim Farber. Doch Farber war ein echter Großstadtcowboy – und noch dazu ein selten dummer. Er hatte keine Ahnung, wie man sich durch das dschungelartige Gebiet bewegte, in dem sie unterwegs waren. Nicht, dass P. J. selbst Expertin für derartige Kampfmanöver gewesen wäre. Als Kind der Großstadt war sie selbst eher an Betonwüsten gewöhnt – an einen gänzlich anderen Dschungel.
Immerhin wusste sie aber, dass in solch unberechenbarem Gelände mehr Vorsicht angebracht wäre, als Farber sie walten ließ. Anstatt seine Leute voranzutreiben, sollte Farber besser auf die Geräusche der Nacht achten.
Und wenn sie schon dabei war, ihn zu kritisieren: Dass vier Spezialagenten und drei Navy SEALs dicht hintereinander über diesen engen Pfad krochen, bereitete ihr zusätzlich ein mulmiges Gefühl. Irgendwie kam sie sich vor wie ein Teil eines riesigen Weihnachtsgeschenkes, das mit einer großen Schleife unter dem Baum eines Terroristen auf ihn wartete.
„Tim“, flüsterte P. J. in ihr Headset, durch das sie mit dem Rest des Teams verbunden war. „Mach mal etwas langsamer und lass uns ein bisschen Abstand voneinander halten.“
„Tu dir keinen Zwang an. Wenn wir dir zu schnell sind, lass dich ruhig ein wenig zurückfallen.“ Farber missverstand ihren Vorschlag natürlich absichtlich.
P. J. spürte, wie Ärger in ihr aufwallte – obwohl sie es als einzige Frau im Team gewöhnt war, ständig spitze Bemerkungen einstecken zu müssen.
Dabei konnte sie mit ihrer Größe von eins achtundfünfzig und ihren knapp zweiundfünfzig Kilo jedem dieser Männer davonlaufen. Und besser schießen konnte sie ebenfalls. Nur wenn es um reine Muskelkraft ging, das musste sie sich eingestehen, konnte sie mit ihren männlichen Kollegen nicht mithalten. Aber selbst wenn sie keinen von ihnen hätte hochheben und zu Boden werfen können: Geistig war sie den meisten von ihnen haushoch überlegen.
Plötzlich bemerkte sie eine Bewegung zu ihrer Rechten und hob ihre Waffe.
Es war jedoch nur ein Navy SEAL namens Harvard. Sein richtiger Name war Daryl Becker; er war Senior Chief, was etwa dem Rang eines Sergeants bei der Army entsprach. Schon in Alltagskleidung gab er eine imposante Figur ab, doch mit Tarnanzug und Schutzmaske sah er gefährlicher aus als jeder andere Mann, dem P. J. je begegnet war. Sein Gesicht und sein kahl rasierter Schädel waren mit grüner und brauner Farbe getarnt, irgendwie unheimlich auf seiner schwarzen Haut.
Harvard war älter als die anderen SEALs der illustren Alpha Squad. P. J. schätzte ihn auf etwa zehn Jahre älter als sich selbst, also mindestens fünfunddreißig, vielleicht auch älter. Er war ganz gewiss kein Grünschnabel mehr. Alles an ihm war männlich, muskulös und stahlhart. Es kursierte das Gerücht, dass er tatsächlich an der Harvard University studiert und summa cum laude , mit Auszeichnung, abgeschlossen hatte, bevor er zur Navy ging.
„Alles okay?“, fragte er per Handzeichen. Dazu bewegte er lautlos seine Lippen, als ob sie die Zeichensprache schon wieder vergessen haben könnte, in der die SEALs miteinander kommunizierten. Es mochte ja sein, dass es Greg Greene oder Charles Schneider so ging – ihr jedoch ganz bestimmt nicht. Sie erinnerte sich an jede einzelne Geste.
„Alles okay“, signalisierte sie ihm so unwirsch wie möglich zurück.
Verdammt! Harvard hatte vom ersten Moment an versucht, sie zu bemuttern. Seit die FInCOM-Agenten auf die SEALs der Alpha Squad getroffen waren, hatte er sie kaum einen Moment aus den Augen gelassen. Bestimmt wartete er nur darauf, dass sie endlich eine weibliche Schwäche zeigte und zusammenbrach.
P. J. bedeutete ihm dieselben Warnungen, die Tim Farber gerade ignoriert hatte. Stopp! Lauschen Sie! Irgendwas stimmt hier nicht.
Der Wald um sie herum war merkwürdig still. All das
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