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Lovecraft, H. P.

Lovecraft, H. P.

Titel: Lovecraft, H. P. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stadt ohne Namen
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Produkts vieler Generationen unnachgiebiger Puritanismus, gütig, gewissenhaft, manchmal sanft und liebenswürdig, dennoch beschränkt und intolerant, Gewohnheiten unterworfen und jeglicher Perspektive ermangelnd. Das Alter hat mehr Nachsicht mit diesen unvollkommenen und dennoch hochherzigen Charakteren, deren einzige wirkliche Untugend Zurückhaltung ist und die am Ende für ihre intellektuellen Sünden dem allgemeinen Gespött anheimfallen − Sünden wie Ptolemäismus, Calvinismus, Antidarwinismus und Antinietzscheismus und alle anderen Arten von Sektiererei und Kleiderordnung. West, trotz überragender wissenschaftlicher Leistungen sehr jung, hatte mit dem guten Dr. Halsey und seinen gelehrten Kollegen wenig Geduld und hegte einen steigenden Groll, gepaart mit dem Wunsch, diesen abgestumpften Ehrenmännern seine Theorien schlagend und überzeugend zu beweisen. Wie die meisten jungen Leute, gab er sich sorgfältig durchdachten Tagträumen hin, von Rache, Triumph und von großmütiger Vergebung, die er schließlich gewähren würde.
    Dann war die Seuche grinsend und tödlich aus den alpdruckähnlichen Höhlen des Tartarus emporgestiegen, West und ich hatten zur Zeit ihres Beginns soeben den ersten akademischen Grad erlangt, waren aber für zusätzliche Arbeit im Sommerkurs geblieben, so daß wir in Arkham weilten, als sie in ihrer ganzen dämonischen Wucht über die Stadt hereinbrach. Obwohl noch nicht zugelassene Ärzte, hatten wir jetzt unseren Grad, wir wurden unerbittlich zum öffentlichen Dienst gezwungen, als die Zahl der Kranken zunahm. Die Lage war fast nicht zu bewältigen, und die Todesfälle traten für die örtlichen Leichenbestatter zu häufig ein, um ganz damit fertig zu werden. Beerdigungen ohne vorheriges Einbalsamieren folgten rasch hintereinander, und selbst das Notauf−nahmegrab auf dem Friedhof der Christ Church füllte sich mit Särgen nicht einbalsamierter Toter. Dieser Umstand blieb auf West nicht ohne Wirkung, der oft über die Ironie der Lage nachdachte − so viele frische Versuchsobjekte, dennoch nichts für seine verbotene Forschungsarbeit! Wir waren schrecklich überarbeitet und die entsetzliche geistige und nervliche Anstrengung veranlaßte meinen Freund zu krankhaften Grübeleien.
    Aber Wests sanftmütige Feinde waren nicht weniger von ihren aufreibenden Pflichten erschöpft, es fanden fast keine Vorlesungenmehrstatt, und jeder Doktor der Medizinischen Fakultät half mit, den Typhus zu bekämpfen. Ganz besonders Dr. Halsey hatte sich durch aufopfernden Dienst ausgezeichnet, indem er all seine Kunst mit ganzer Energie auf Fälle verwandte, welche andere wegen der Gefahr oder offensichtlichen Hoffnungslosigkeit mieden. Bevor ein Monat um war, war der furchtlose Dekan zum Volkshelden geworden, obwohl er sich seines Ruhmes gar nicht bewußt war, als er dagegen ankämpfte, vor körperlicher Ermüdung und nervlicher Erschöpfung zusammenzubrechen. West konnte der Seelenstärke seines Feindes seine Bewunderung nicht versagen, aber gerade darum war er mehr denn je entschlossen, ihn von der Wahrheit seiner erstaunlichen Lehrsätze zu überzeugen. Indem er sich die Verwirrung, sowohl der Universitätsarbeit als auch der städtischen Gesundheitsvorschriften zunutze machte, gelang es ihm, die Leiche eines kürzlich Verstorbenen eines Abends in den Sezierraum der Universität zu schmuggeln, und injizierte ihm in meiner Gegenwart eine Modifikation seiner Lösung. Das Wesen öffnete tatsächlich die Augen, aber es starrte lediglich mit einem Blick, der einem die Seele gefrieren ließ, zur Decke, bevor es in Leblosigkeit zurücksank, aus der nichts es erwekken konnte. West meinte, es sei nicht frisch genug −die Sommerhitze ist Leichen nicht hold. Diesmal wurden wir beinah erwischt, bevor wir das Wesen einäschern konnten, und West bezweifelte, ob es ratsam sei, den gewagten Mißbrauch des Universitätslabors zu wiederholen.
    Im August erreichte die Epidemie ihren Höhepunkt. West und ich waren halbtot, und Dr. Halsey starb am vierzehnten. Die Studenten nahmen sämtlich an dem am fünfzehnten stattfindenden eiligen Begräbnis teil und kauften einen eindrucksvollen Kranz, obwohl dieser von den Blumenspenden reicher Arkhamer Bürger und denen der Stadtverwaltung völlig in den Schatten gestellt wurde. Es war fast eine öffentliche Angelegenheit, denn der Dekan war sicherlich ein öffentlicher Wohltäter gewesen. Wir waren nach der Beisetzung alle irgendwie niedergeschlagen und verbrachten den

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