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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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ab.«
    »Nicht nötig«, sagte ich. »Ich nehm ein Taxi. Ich bin gleich da.«
    »Wohin willst du?« Karen ertappte mich beim Versuch, mich aus der Wohnung zu schleichen.
    »Raus«, sagte ich mit einem Anflug von Trotz. Der Kummer hatte meine Angst vor ihr vermindert.
    »Wohin?«
    »Einfach raus.«
    »Du gehst ja wohl nicht zu Daniel, oder?« Entweder war sie ausgesprochen scharfsinnig, oder sie litt an Zwangs- und Wahnvorstellungen.
    »Doch.« Ich sah ihr in die Augen.
    »Du dumme Kuh, du hast nicht die geringste Chance bei ihm.«
    »Ich weiß.« Ich ging zur Treppe.
    »Willst du trotzdem hin?« fragte sie wütend und überrascht.
    »Ja.«
    »Du-gehst-nicht!« bellte sie.
    »Wer sagt das?« Da ich inzwischen die Hälfte der Treppe hinter mir hatte, war es sehr viel leichter, ihr zu trotzen.
    »Ich verbiete es dir«, sagte sie.
    »Ich geh trotzdem.« Sie war gereizt bis zur Weißglut und konnte kaum sprechen. Schließlich stotterte sie: »Ich will ja nur verhindern, daß du dich lächerlich machst.«
    »Kann schon sein. Ich glaube aber eher, daß du es nur allzugern hättest, daß ich mich lächerlich mache.«
    »Komm sofort zurück!«
    »Leck mich«, sagte ich tapfer und verschwand.
    »Komm du nach Hause...« kreischte sie mir nach. »Ich warte, bis du zurückkommst.«

84
    I m Taxi auf dem Weg zu Daniel überlegte ich, daß ich ihm lediglich sagen würde, warum ich so aufgewühlt war – obwohl mich der Chor der griechischen Tragödie in meinem Kopf anflehte, es nicht zu tun. ›Du weißt doch, daß man einem Mann, den man liebt, seine Liebe auf keinen Fall gestehen darf‹, belehrte sie mich lautstark. › Schon gar nicht, wenn er dich nicht liebt.‹
    ›Das weiß ich‹, erregte ich mich. ›Aber bei mir und Daniel ist das was anderes. Er ist mein guter Freund und wird es mir ausreden. Er wird mir erzählen, wie greulich und abscheulich er seine Frauen behandelt.‹
    ›Laß es dir von jemand anders ausreden‹, sagten sie. ›Die Welt ist voller Menschen – warum ausgerechnet er?‹
    ›Er wird den Schmerz lindern, wird dafür sorgen, daß ich mich besser fühle.‹
    ›Aber...‹
    ›Er ist der einzige, der das kann‹, sagte ich in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
    ›Uns führst du nicht hinters Licht‹, intonierte der Chor. ›Wir wissen, daß du was im Schilde führst.‹
    ›Aber wo denkt ihr hin‹, begehrte ich auf. Mir war der viktorianische Grundsatz durchaus geläufig: ›Er darf nie erfahren, wie sehr ich ihn liebe, denn sein Mitleid wäre mir unerträglich.‹ Vor allem galt das für einen nicht besonders einfühlsamen Mann, der darüber lachen und es seinen Freunden weitererzählen würde, wenn sie gemeinsam auf Moorhuhnjagd gingen. Aber für mich galt das nicht, fand ich. Bei Daniel brauchte ich meine Würde nicht.
     
    Als er mir öffnete, war ich so glücklich, ihn zu sehen, daß mein Herz vor Freude hüpfte.
    Verdammt, dachte ich, es stimmt also. Ich liebe ihn wirklich.
    Ich stürzte mich in seine Arme. Daß wir gute Freunde waren, hatte viele Vorteile, die ich nicht aufzugeben gedachte, nur weil er eine neue Frauenbekanntschaft gemacht hatte.
    Ich hielt ihn fest in den Armen und – der Wahrheit die Ehre – er hielt mich ebenfalls ziemlich fest.
    Wahrscheinlich fand er mein Verhalten ziemlich sonderbar, ließ es sich aber nicht anmerken, er war schließlich ein netter Kerl. Ich würde es ihm ein wenig später erklären, beschloß ich. Fürs erste wollte ich bleiben, wo ich war. Da er nach wie vor mein guter Freund war, hatte ich einen Anspruch darauf, von ihm in den Armen gehalten zu werden. Eine Weile konnte ich ruhig so tun, als wäre er mein Liebhaber.
    »Tut mir leid, Daniel, aber ich brauche deine Freundschaft.«
    Natürlich war das gelogen, aber ich konnte ihm ja nicht gut sagen: »Tut mir leid, Daniel, aber ich möchte dich heiraten und mit dir Kinder kriegen.«
    »Ich werde immer dein Freund sein, Lucy«, sagte er leise, während er mir über das Haar strich. Danke für leere Versprechungen, dachte ich unfreundlich. Aber nur ganz kurz. Er war wirklich ein großartiger Freund – es war wohl kaum seine Schuld, daß ich dumm genug gewesen war, mich in ihn zu verlieben.
    Nach einer Weile fühlte ich mich stark genug, mich aus seiner Umarmung zu lösen.
    »Wo brennt’s?« fragte er. »Geht es um deinen Vater?«
    »Nein, nichts in der Art.«
    »Tom?«
    »Wer? Ach nein, der arme Tom. Warum verlieben sich eigentlich immer die in einen, die man selber nicht liebt?«
    »Keine

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