Lucy
nachts eine Brise zum Fenster hereinweht, spüre ich deinen Duft und sehne mich schmerzlich nach dir.
Donna hatte gesagt, dass sie mir Neuigkeiten von Mom bringt, wenn die Zeit dafür reif ist. Ich habe gewartet und gewartet, und vor ein paar Wochen war es dann so weit. Donna kommt uns gewöhnlich ein paarmal im Jahr besuchen. Und |430| diesmal erzählte sie mir, dass sie sich endlich mit Mom treffen wird. Sie hatte sich vorsichtig umgehört unter ihren alten Militärkontakten und war der Ansicht, dass es mittlerweile ungefährlich sei. Ich bat sie, Mom einen Brief von mir mitzubringen.
»Liebe Mom«, schrieb ich. »Donna sagt, dass die Regierung kein Interesse mehr an uns hat. Wahrscheinlich wussten sie sowieso nicht, was sie mit mir machen sollten, und sind inzwischen froh, dass ich verschwunden bin. Sie haben möglicherweise eine Ahnung, wo ich bin, meint Donna, aber sie können das Reservat nicht betreten, ohne riesigen politischen Wirbel auszulösen. Solange ich also nicht auf der Bildfläche erscheine, werden sie einfach so tun, als hätte ich nie existiert. Außerdem gibt es ja nun einen neuen Präsidenten, und er wäre wohl bereit, uns in der Gesellschaft willkommen zu heißen, wenn es nicht politischer Selbstmord für ihn wäre. Wie auch immer, die Journalisten haben sich mittlerweile auf andere Geschichten gestürzt, und die Öffentlichkeit hat sowieso die Gedächtnisspanne einer Stubenfliege. Es ist wirklich so, als hätte ich nie existiert. Und das ist schon okay.
Vermutlich liest Du das hier bei Deinem Treffen mit Donna und weißt inzwischen schon alles. Sie sagt, es sei okay, wenn ihr mich jetzt besuchen kommt. Hoffentlich kommt ihr bald. Ich möchte so gern, dass Du zur Geburt hier bist. Und wenn Harry mein Arzt für den Notfall wäre, hätte ich auch nichts dagegen. Wie geht es ihm? Ich kann es kaum erwarten zu erfahren, was es bei euch Neues gibt. Richte ihm bitte liebe Grüße von mir aus und gib ihm einen ›dicken Schmatz‹, wie er sagen würde.
Alle glauben, dass ich einen Jungen bekomme, aber ich hoffe, es wird ein Mädchen, damit ich es Amanda nennen kann. Natürlich wüsste ich gern, was die Zukunft bringt, aber mit |431| Großmutter White Feathers Hilfe habe ich gelernt, dankbar zu sein für die Sonne und die Sterne, das Wasser und den Wind, und jeden Tag so zu nehmen, wie er ist. Bitte komm bald. Ich möchte Dich in die Arme schließen und sehen, wie Du mein Baby im Arm hältst.
Deine Dich liebende Tochter,
Lucy.«
Informationen zum Buch
Das Mädchen Lucy wächst im afrikanischen Dschungel bei ihrem Vater, einem englischen Naturforscher, in völliger Abgeschiedenheit auf. Als er stirbt, bleibt sie allein zurück. Durch Zufall findet die amerikanische Wissenschaftlerin Jenny sie und nimmt sie mit nach Amerika. Lucy ist hübsch und sehr begabt. Was niemand ahnt: Sie ist das Ergebnis eines unglaublichen Experiments, ihr Erbgut eine Kreuzung zwischen dem von Mensch und Menschenaffe. Irgendwann lässt sich das nicht mehr geheim halten – und Medien, Militär und Wissenschaftler beginnen eine erbarmungslose Jagd auf Lucy ...
»Ein packender Thriller. Die Protagonistin Lucy ist das Ergebnis eines genetischen Experiments. Sie sieht aus und klingt wie jedes andere 1 6-jährige Mädchen, sie kann sogar Shakespeares Sonette auswendig – nur isst sie manchmal Bananen mit der Schale und kann sich von Baumwipfel zu Baumwipfel schwingen. Ist sie ein Mensch? Hat sie eine Seele? Besitzt sie bürgerliche Rechte? Laurence Gonzales erzählt eine packende Geschichte, er hat einen lebendigen Stil und ein großes Talent, sich in seine Figuren hineinzuversetzen. Ob Lucy eine Seele hat? Eins ist klar: ihr Schöpfer schon, und zwar eine große.«
Benjamin Svetkey in ›Entertainment Weekly‹
»Ein wunderbares Buch, eine Geschichte über Evolution, moralischen Zwiespalt, Bioethik, Toleranz, die menschliche Natur – und Liebe.«
Chicago Sun-Times
Informationen zum Autor
Laurence Gonzales
wurde in St. Louis, Missouri, geboren und wuchs in Texas auf. Er wurde für seine journalistische Arbeit mehrfach ausgezeichnet und hat bereits eine Reihe von preisgekrönten Büchern veröffentlicht.
Mehr unter www.laurencegonzales.com
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