Lübeck
in den Hinterhöfen der besser Betuchten errichtet wurden. Der Hintergrund dafür war, wie so oft, ein praktischer: Lübeck hatte schon immer ein Platzproblem. Steigende Bevölkerungszahlen (âStadtluft macht frei!â) begünstigten dieses städtebauliche Phänomen, das in Lübeck für das 14. Jh. überliefert ist und sich v. a. im Gürtel der Altstadt niedergeschlagen hat. Manche der Bewohner waren sogar so arm, dass sie mietfrei logieren mussten. Einzige Bedingung: Sie hatten für das Seelenheil ihrer groÃzügigen Hausherren zu beten ⦠Aus einigen der sog. Armengänge wurden nach der Reformation die Stiftshöfe reicher Spender. Sie dienten unverheirateten Töchtern oder ehrwürdigen Witwen als Unterkünfte. Heute sind die Gänge und Stiftshöfe begehrte Wohnflächen.
Freundliche Oasen im Altstadtwirrwarr
Von den ursprünglich 180 Gängen und (Stifts-)Höfen gibt es noch immer 90, die meisten sind frei zugänglich. Die Spaziergänge in diesem Buch führen zu den wichtigsten und schönsten, z. B. zum Sievers Thorweg und dem Bäcker-Gang in der Engelsgrube (Spaziergang 4) sowie zum Glandorps Hof und dem Füchtingshof in der GlockengieÃerstraÃe (Spaziergang 3). Diese âOasen der Ruheâ und sehr beliebten âkleinen Idyllenâ, wie sie in einigen Büchern zu Recht genannt werden, sind in der Hochsaison leicht gefährdet. Wenn täglich bis zu 20 Touristengruppen durch die Gänge jagen, fühlen sich die im Hinterhof sitzenden, Kaffee trinkenden Bewohner bisweilen ein wenig wie im Zoo und klagen über den Müll, den die Besucher zurücklassen. Man sollte sich also besser nicht die Nase an den Fensterscheiben der freundlich dekorierten, liebevoll mit rankenden Rosen verzierten Fenster platt drücken. Einige der Durchgänge sind ein wenig eng, und manchmal muss man den Kopf einziehen. Kein Wunder, denn die einzige Vorgabe, die die Bauherren hatten, war, dass durch jeden der Gänge ein Sarg hindurchpassen musste ⦠In diesem Sinne: spannendes Erkunden! Wer mag, kann in einigen der Häuschen sogar relativ günstig und äuÃerst stilecht übernachten (â Ãbernachten).
Spaziergang 1: Holstentor, St. Petri und Dom
Wem gilt die BegrüÃung mit dem Hinterteil?
Lübeck ohne das Holstentor? Undenkbar. Doch Lübeck ist mehr als ein Wahrzeichen. Ein Bummel an der Obertrave ist zu jeder Jahreszeit ein Erlebnis. Einige StraÃen später erzählt ein Puppentheater auf vier Stockwerken von den Besonderheiten dieser Kunstform. Und von der Petrikirche hat man einen Blick über die ganze Stadt bis nach Travemünde. Im gewaltigen Backsteindom befinden sich zwei Meisterwerke von Bernt Notke, während im gewitzt aufbereiteten Museum für Natur und Umwelt die Flora und Fauna der Lübecker Region eingefangen sind (ein Tipp für Kinder!). Nebenbei erfährt man, worauf Lübeck seinen Reichtum gründete, wie das âFegefeuerâ zu seinem Namen gekommen ist, was es mit einer ägyptischen Mumie in der Hansestadt auf sich hat und wie vier Geistliche über alle Glaubensgrenzen hinweg gegen die Nationalsozialisten kämpften.
Spaziergang 1: Holstentor, St. Petri und Dom
Hauptbahnhof undHolstentorbefestigung
Es lohnt sich, einen Stadtspaziergang am Hauptbahnhof zu beginnen. Dann bekommt man gleich einen ungefähren Eindruck davon, wie weitläufig die Holstentorbefestigung einmal war. Die trutzige Wehranlage mit ihren Toren und den drei Wassergräben führte fast bis zum heutigen Hauptbahnhof und war eine der ausgedehntesten Stadtbefestigungen in Nordeuropa. 1853 begann mit dem Bau einer ersten Eisenbahnlinie auf der Wallhalbinsel (eine längliche Insel vor der Altstadt, die von den Lübeckern liebevoll âWalliâ genannt wird) die endgültige Verkleinerung des so stolzen Bollwerks. Man trug die Wälle im Westen ab, das ÃuÃere Holstentor fiel der Bahn zum Opfer. Der gestiegene Verkehr und Gleisabsenkungen führten dann zwischen 1903 und 1908 zur Realisierung des jetzigen Hauptbahnhofs. Heute ist er mit geschätzten 31.000 Reisenden pro Tag der am stärksten frequentierte von Schleswig-Holstein. Der Innenraum des Backsteingebäudes aus dem Historismus wurde 2004â07 für 53 Mio. Euro saniert.
Spaziergang 1: Holstentor, St. Petri und Dom
Abstecher zumPestfriedhof vonSt. Lorenz
Vom Bahnhof aus kann man
Weitere Kostenlose Bücher