Lügenbeichte
nachgeschaut, nur nicht in dieses Möbelstück, auf dem der riesige Flachbildschirm stand.«
»So was haben wir hier aber nicht«, sagte Thomas.
»Es war ja auch nur ein Beispiel«, sagte Herr Werner.
»Trotzdem«, brummte Thomas. »Wir haben keine nutzlosen Dekorationen.«
»Man weiß nie … vielleicht ist Ihr Sohn tatsächlich noch im Haus.«
»In der Garage ist er offensichtlich nicht«, sagteMarina, als das Suchteam aus der Garage zurückkam, kopfschüttelnd. »Außerdem ist mein Sohn nicht hyperaktiv.«
Thomas nahm sich eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an. Herr Werner zog daraufhin wieder diesen zerknitterten Tabaksbeutel aus seiner Strickjackentasche und fing an, sich eine Zigarette zu drehen.
»Hier drinnen wird nicht geraucht«, pfiff Marina ihn an. Das Zigarettenblättchen riss ein, Tabakkrümel fielen auf den Boden.
»Möchten Sie eine richtige Zigarette?« Thomas deutete auf die Schachtel Gauloises Blondes auf dem Tisch. »Wir können auf die Terrasse gehen. Entschuldigen Sie den Ton meiner Frau, aber sie hat einen Schock!«
»Nein, danke«, sagte Herr Werner und guckte schon wieder so abschätzend. »Ich bin Nichtraucher. Mir reicht es, wenn ich mir ab und zu eine Zigarette drehe. Das ist auch billiger.« Er lachte kurz auf, obwohl es sich mehr wie ein Räuspern anhörte.
Josi schaute zu, wie er die heruntergefallenen Krümel mit den Fingern zusammenfegte und aufklaubte, aufstand und nach einem Mülleimer fragte.
»Mein Gott, lassen Sie das liegen!«, fauchte ihn Marina an. »Und finden Sie endlich meinen Sohn!«
8:44
Josi kam sich vor wie in einem Tatort , den sie mit Thomas manchmal sonntagabends guckte – seltene Stunden, wenn sie mal nebeneinander auf dem Sofa saßen, währendLou im Bett und Marina bei ihren Eltern oder einer Freundin war. Aber beim Tatort war alles inszeniert, ausgedacht. Solche schrecklichen Verbrechen spielten sich doch nicht in ihrer Welt ab! Jetzt saß sie jedoch einem echten Kommissar gegenüber, sogar Hauptkommissar, der mit seiner Schrulligkeit jedem Tatort-Kommissar den Rang ablief. Josi hatte das ungute Gefühl, dass dieser Typ nicht mal seinen Autoschlüssel wiederfinden würde, wenn er ihn verloren hätte, geschweige denn Lou!
Herr Werner starrte auf den Sockel der Stehlampe neben dem Sofa. Wahrscheinlich hatte er gerade entdeckt, dass er aus reinem, weißem Marmor war, und überlegte, wie viel die Lampe wohl gekostet hatte. War er etwa neidisch?
Er hatte seinen Tabaksbeutel wieder eingesteckt und räusperte sich. »Wie ich gehört habe, Josefine – ich darf dich doch noch duzen –, hast du deinen Halbbruder das letzte Mal hier auf diesem Sofa gesehen.«
Es störte sie, dass er von Lou als ihrem Halbbruder sprach und ihr gar keine Zeit ließ, auf die Duz-Frage zu antworten. Außerdem hatte er sie schon die ganze Zeit geduzt.
»Ja. Wir haben vorher Muffins gebacken.«
»Und dann kam dein Freund Max.«
»Genau.«
»Und ihr seid dann in dein Zimmer gegangen.«
»Nicht sofort. Erst haben wir noch mit Lou den Anfang vom Film geguckt.«
»… und Lou hat dann allein weitergeguckt.«
»Ja.«
»Ist ›Lou‹ nicht eigentlich ein Mädchenname?«
»Nicht unbedingt«, sagte Josi. »Man kann ihn für Mädchen und Jungs verwenden.«
Herr Werner runzelte die Stirn. Er schien mit der Antwort ein bisschen überfordert zu sein. Wahrscheinlich musste ein Junge bei ihm Christian oder Ulrich heißen.
»Na ja«, sagte er und holte tief Luft. »Könnte es sein, dass Lou eifersüchtig auf Max war?«
»Nein, wieso denn? Die beiden haben sich gleich gut verstanden, haben hier noch auf dem Boden zusammen mit den Transformern gespielt …«
»Mit den was?«
»Transformern. Das sind Autos, die sich in Roboter verwandeln können.«
Herr Werner nickte. »Könnte es sein, dass Lou frustriert war, als ihr dann in dein Zimmer gegangen seid? Oder hast du ihn vielleicht etwas barsch angesprochen? Schließlich wolltest du endlich mit deinem Freund allein sein, wenn ich das richtig verstehe.«
»Ach Quatsch!« Josi wäre am liebsten in ihr Zimmer gerannt. Die Art, wie Herr Werner sie ausfragte, ging ihr auf die Nerven! Lou war den ganzen Abend gut drauf gewesen. Von Max war er auch begeistert, gleich von Anfang an. Was wollte Herr Werner ihr hier unterstellen?
»Vielleicht ist der Kleine weggerannt, weil er ärgerlich, eifersüchtig oder eben frustriert war?« Seine Stimme ließ keine Ausflüchte zu.
»Nein!«, schrie Josi ihn an.
Er hob eine Hand hoch,
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