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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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    Prolog
    Der Dominikaner kauerte auf seinem
Betstuhl in der leeren Kirche von Blackfriars, und sein Blick
huschte hin und her zwischen dem goldverzierten Kruzifix und dem
Kiefernholzsarg mit dem Leichnam seines ermordeten Ordensbruders.
Bruder Alcuin war unruhig. Er nagte an der Unterlippe und
verschränkte die Finger fest ineinander. Egal, was die anderen
dachten, er kannte die Wahrheit. Bruder Bruno war brutal ermordet
worden. Alcuin war ebenso zornig wie entsetzt: zornig darüber, daß
eine so ruchlose Tat in einem Dominikanerkloster begangen werden
konnte, und entsetzt, weil er wußte, daß der Mörder eigentlich ihn
gemeint hatte. Es war so einfach gewesen. Alcuin hatte eine
Mitteilung erhalten, natürlich anonym, in der er aufgefordert
wurde, gleich nach der Vesper in die Krypta zu kommen. Verärgert
über die Farce, die vor kurzem entdeckt worden war, und den frommen
Spott, der hinter all dem stand, war er hingegangen - und hatte
Bruno am Fuße der steilen Treppe gefunden, die in die Krypta
hinunterführte; sein Genick war verdreht, und sein Hirn gerann in
blutigen Pfützen seines zerschmetterten Schädels.
    Pater Prior war rasch zu dem Schluß
gelangt, daß Bruno auf der obersten Stufe unglücklich ausgeglitten
und in den Tod gestürzt war. Aber Alcuin wußte es besser. Irgendwie
hatte der Mörder dort gewartet und Bruder Bruno entweder ein Bein
gestellt oder ihn die steile, scharfkantige Steintreppe
hinuntergestoßen. Das war am vergangenen Abend gewesen. Morgen nach
der Frühmesse würden Brunos Dominikanerbrüder das Requiem singen
und den Leichnam ihres armen Gefährten hier
hinter dem Hochaltar bestatten. Sie würden leise miteinander über
Brunos Vorzüge sprechen, und mit der Zeit, vielleicht eher früher
als später, würde er in Vergessenheit geraten, und an die Art
seines Todes würde man sich nur noch vage erinnern, während sein
Mörder triumphierend davonspazierte.
    Alcuin blickte auf und starrte das
Kruzifix an. Christus würde das doch gewiß nicht zulassen? Mord war
eine der Sünden, die zum Himmel um Rache schrien. Es mußte
Gerechtigkeit geschehen. Aber sollte er sich an dieser
Gerechtigkeit beteiligen? Wer würde ihm glauben, einem einfachen
Sakristan und Kellermeister? Nur er und sein Freund, der uralte
Bibliothekar Callixtus, kannten die Wahrheit, aber sie konnten
keinen Beweis finden. Der Rest der Klostergemeinschaft würde sagen,
sie handelten aus Bosheit, und behaupten, Alcuin sei von einem
üblen, verschlagenen Dämon besessen. Vielleicht würde man ihn nach
Rom oder nach Avignon schicken, damit er sich vor seinen Oberen
verantwortete, oder - noch schlimmer — man würde ihn den
Inquisitoren ausliefern, die ihn befragen und verhören und ihm den
Prozeß machen würden. Und was dann?
    Alcuin wischte sich die
Schweißperlen von der breiten Stirn. Sein bleiches, eckiges Gesicht
wurde verdrossener, während er in die zunehmende Dunkelheit
starrte. Natürlich konnte noch Schlimmeres passieren. Wie Bruder
Athelstan würde man ihn aus Blackfriars verbannen und in irgendeine
schmuddelige Pfarrkirche schicken, wo er den Ungewaschenen und
Ungebildeten als Seelsorger dienen müßte. Ein Lächeln huschte über
Alcuins säuerliches Gesicht. »Athelstan, Athelstan«, murmelte er,
»warum bist du nicht hier? Ich brauche dich jetzt. Der Orden
braucht dich. Christus der Herr braucht deinen durchdringenden
Blick und deinen scharfen Verstand.«
    Das Lächeln verblaßte. Athelstan war
nicht eingeladen zu der Sitzung des Generalkapitels des
Dominikanerordens im Mutterhaus zu Blackfriars. Athelstan war jetzt
Gemeindepfarrer in St. Erconwald in den Elendsquartieren von
Southwark, wo er mit seinem Kater plauderte und den Sternenhimmel
erforschte.
    »Weißt du, Alcuin«, hatte Athelstan
einmal zu ihm gesagt, »ich habe einmal mit einem Mann gesprochen,
der in Persien war und den Magi begegnet ist. Das sind weise
Männer, die den Himmel studieren. Er hat mir eine seltsame
Geschichte erzählt - daß es einmal keine Sterne gab, keine Sonne,
keinen Mond. Nichts als eine dunkle, finstere Masse, die auf Gottes
Geheiß zu brennenden Felsen zerbarst und das Universum formte, von
dem die Erde nur ein kleiner Teil ist.« Alcuin schüttelte den Kopf.
Wenn Athelstan von derartigen Theorien redete, war es vielleicht
nur gut, daß er nicht hier war. Wieder erinnerte Alcuin sich an das
dunkle, scharfgeschnittene Gesicht und die schwermütigen Augen
seines Ordensbruders. Athelstan war für Höheres vorgesehen gewesen.
Im

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