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Lumpenloretta

Lumpenloretta

Titel: Lumpenloretta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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Hauptschule zu schreiben. Ihr Vater hat die fünfhundert Euro, die der gute Freund dafür verlangt, schon vor drei Wochen nach Italien geschickt. Und ihr Vater hat gestern den guten Freund angerufen, und der hat hoch und heilig geschworen, dass er das Zeugnis gerade express und eingeschrieben abgeschickt hat. Also muss heute oder morgen oder übermorgen der Briefträger das Zeugnis bringen, und dann geht ihre Mama mit ihr in eine Hauptschule und meldet sie dort an! Und ihre Mama sagt dem Direktor, dass sie zwei Jahre lang in Italien gewohnt haben und gerade erst zurückgekommen sind. Weil niemand merken darf, dass sie so lange nicht in die Schule gegangen ist. Sonst werden ihre Eltern nämlich eingesperrt und sie kommt in ein Heim.
    „Kannst du denn Italienisch?“, hat Glatze gefragt.
    Die Loretta hat den Kopf geschüttelt.
    „Aber wenn du doch angeblich dort zwei Jahre lang in die Hauptschule gegangen bist?“, hat Glatze nachgehakt.
    Die Loretta hat mit den Schultern gezuckt. „Bin ich eben blöd. Habe ich es eben schnell wieder vergessen!“
    Auch einer, der andere nicht löchern will, muss nachfragen, wenn er komplett ratlos ist. Also hat Glatze gefragt: „Warum bist denn so lang nicht in die Schule gegangen?“
    Zur Antwort hat die Loretta gut fünfzehn Minuten gebraucht, und während sie geredet hat, ist Glatze mauloffen auf der Bettwäsche gehockt. Er hat es einfach nicht gepackt!
    Vor zwei Jahren, hat ihm die Loretta erzählt, sind ihre Eltern mit ihr von Wien aufs Land gezogen. In ein uraltes, wind-schiefes Bauernhaus in einem kleinen Dorf in der Steiermark. Weil die Miete billiger als in der Stadt gewesen ist. Und weil es genug Platz für das Altwarenlager im Stadel vom Bauernhaus gegeben hat. Aber die Schule dort, die ist echt grauslich gewesen. Weniger die Lehrer, die sind halbwegs in Ordnung gewesen. Die Kinder sind gemein zu ihr gewesen, die haben sie Zigeunerin genannt und Hausiererkind und Bandlkramergschrapp, seit sie gewusst haben, dass ihre Eltern auf Jahrmärkten alte Sachen verkaufen. Und ein dicker, schielender Depp hat sie im Schulbus immer gezwickt und geboxt, so fest, dass sie dauernd blaue Flecken gehabt hat. Auf die Brust und den Popo hat er ihr auch gegrapscht. Und kein einziges Kind hat ihr gegen den blöden Kerl geholfen, alle haben nur saudumm gelacht. Darum ist sie nicht gern in die Schule gegangen. Außerdem ist sie im Winter sowieso dauernd krank gewesen. Weil das Bauernhaus feucht und schlecht zu heizen gewesen ist. Knapp vor den Sommerferien dann haben sie aus dem Haus raus müssen. Der Bus ist kaputt gewesen, ihre Eltern haben nicht auf Jahrmärkte fahren können und haben kein Geld verdient und die Miete nicht bezahlen können. Und der Bauer, dem das alte Bauernhaus gehört hat, ist jeden Tag dreimal vor der Tür gestanden und hat sein Geld verlangt. Da sind sie dann, wie ihr Vater den Bus endlich repariert hatte, einfach in der Nacht abgehauen. Das Altwarenlager im Stadel haben sie dem Bauern dagelassen. Statt der schuldigen Miete. Und da hat sie sich das Zeugnis in der Schule nicht mehr abholen können. Wozu denn auch? Wären eh nur lauter schlechte Noten dringestanden. Und dann sind sie ins Burgenland und haben bei der Tante Brunnmeier gewohnt, mit der ihre Mama irgendwie um neun Ecken herum verwandt ist. Dort ist der Hank auf die Welt gekommen. Aber der Mann von der Tante Brunnmeier hat sie im Herbst rausgeworfen. Der ist schon immer dagegen gewesen, dass sie bei ihm wohnen. Und hat deswegen mit seiner Frau jeden Tag gestritten. Wie dann der Hank krank geworden ist und – wie kranke Babys das eben so tun – dauernd geschrien hat, ist der Onkel Brunnmeier furchtbar wild geworden und hat alles, was ihnen gehört hat, Kleider, Schuhe, Reindln, Radio, Decken, Bücher, Polster und CDs, einfach zur Haustür rausgeworfen und gebrüllt: „Wenn ihr Gesindel nicht sofort verschwindet, fliegt ihr hinterher!“ Da haben sie ihren Kram in den Bus gepackt und sind weg. Zuerst für drei Monate auf einen Campingplatz in der Nähe von Wien, bis es dort so saukalt geworden ist, dass der Hank im Bus fast erfroren wäre. Dann sind sie in die Schrebergartenhütte einer alten Freundin ihrer Mama gezogen. Irgendwo in Niederösterreich an einem kleinen, einsamen Schotterteich. Groß ist die Hütte nicht gewesen, aber ein toller Ölofen ist drin gewesen. Und ein Propangaskocher. Und ein Stockbett. Und vor der Hütte ein Brunnen, aus dem hat man Wasser pumpen können. Im Frühjahr dann ist es

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