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Lumpenloretta

Lumpenloretta

Titel: Lumpenloretta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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den grauslichen Geschmack loszuwerden.
    „Wenn meine Oldies zurückkommen, bringen sie immer etwas Ordentliches zu essen mit“, hat die Loretta gesagt und die letzte Scheibe aus der Packung gezogen. So vorsichtig, dass sie ganz geblieben ist. „Sie müssten eh bald da sein!“ Sie hat die Scheibe Knäckebrot in die Hälfte gebrochen und Glatze eine Hälfte hingehalten. Glatze hat den Kopf geschüttelt, und die Loretta hat blitzschnell beide Hälften verputzt.
    „Und was machen wir jetzt?“, hat sie nachher gefragt.
    Glatze hat mit den Schultern gezuckt.
    „Was kann man denn hier so alles machen?“, hat die Loretta gefragt.
    „Mit dem Radl könnten wir zum Badeteich fahren“, hat Glatze gesagt. „Oder auf ein Eis beim Italiener im Einkaufszentrum. Ohne Radl kannst hier gar nichts machen.“
    „Ich hab noch kein Fahrrad“, hat die Loretta gesagt. „Habt ihr vielleicht zwei und könnt mir eines borgen? Ich kann auch auf einem Rad für Große fahren, das macht mir nichts aus.“
    „Nein, leider“, hat Glatze gelogen. Hat ja schlecht sagen können, dass bei ihm daheim im Keller drei Erwachsenen-Fahrräder stehen, aber seine Mutter der Loretta garantiert keines borgen wird.
    „Dann zeig ich dir im Garten, was ich zirkusmäßig schon alles draufhab!“, hat die Loretta gesagt. „Ich will nämlich später einmal zum Zirkus gehen. Aber da muss ich vorher noch allerhand dazulernen, damit mich die nehmen.“
    Sie ist in die Küche gelaufen und übers Fensterbrett in den Garten gesprungen. Flaumfederelegant!
    Glatze hat sich auf das Fensterbrett gesetzt, hat die Beine aus dem Fenster baumeln lassen und der Loretta zugeschaut, wie sie aus ihrer sagenhaften Hose – das eine ausgefranste Hosenbein bis zum Knie, das andere bis zum Wadel – steigt und sich aus dem fleckigen XXL-T-Shirt wurstelt. „Eigentlich turnt man ja in einem Trikot“, hat sie zu Glatze raufgerufen. „Und ich hab auch ein echt tolles, schwarz mit violetten und grünen Flitterstreifen. Nur ist es mir schon viel zu klein geworden. Das zwickt im Hintern. Aber so geht es ja auch! Oder?“

    „Sicher“, hat Glatze gesagt. Weil ihm schnurzpiepegal ist, was jemand anhat. Also hat er sich auch garantiert nicht darüber gewundert, dass die Loretta statt einem BH einen roten Seidenschal um die Brust gewickelt und den mit zwei Sicherheitsnadeln festgesteckt hatte. Und ihre graue Unterhose hat einer Turnhose sowieso ziemlich ähnlich geschaut.
    Die Loretta hat sich vor dem Küchenfenster mit einem kleinen Knicks verneigt und Glatze eine Kusshand à la Zirkusprinzessin zugeworfen. Dann hat sie längs durch den Garten, bis zum hinteren Zaun und wieder retour, zwischen dem Zwetschkenbaum und dem Apfelbaum durch, Saltos geschlagen. Ein Salto nach dem anderen, affenschnell! Salto vorwärts bis zum hinteren Zaun, Salto rückwärts retour bis zum Küchenfenster. Wie sie wieder unter dem Küchenfenster angekommen ist, hat sie sich auf den Boden gesetzt, mit beiden Armen in der Luft herumgewachelt und „Verdammte Scheiße, das juckt zum Jungekriegen!“ gejammert. Ihre Hände und ihre Unterarme sind knallrot gewesen, mit vielen kleinen weißen Bläschen im Roten.
    Glatze ist vom Fensterbrett gesprungen, nicht elegant, aber hurtig, und hat sich die Hände und die Arme der Loretta angeschaut. „Das waren diese verdammten Brennnesseln!“, hat er gesagt. „Du darfst nicht dran kratzen, sonst wird es noch ärger. Du musst die Arme in kaltes Wasser halten, das beruhigt die Haut!“
    Die Loretta hat den Kopf geschüttelt. „Das hört ohnehin gleich wieder auf“, hat sie gesagt und weiter rumgewachelt. „An Brennnesseln kann man sich leicht gewöhnen!“ Sie hat die nackten Füße hochgestreckt. „Die sind schon dran gewöhnt, denen machen Brennnesseln nichts mehr aus! Am Schotterteich, wo wir gewohnt haben, da waren überall Brennnesseln. Ganz hohe. Die haben mir bis zum Nabel gereicht. Aus denen haben wir sogar einmal Spinat gemacht, der hat aber nicht echt gut geschmeckt.“
    Dann ist sie aufgesprungen und hat gesagt, Glatze soll sich vorstellen, dass der Garten ein Zirkus ist, und um den Zwetschkenbaum und den Apfelbaum herum, da ist die Zirkusmanege, und an der sind rundherum die Logenplätze, wo die reichen Leute sitzen, und sie schlägt vor den Logen, dreimal im Kreis herum, Räder. Aber zuerst muss sie in die Mitte der Manege laufen und sich vor den Zuschauern verbeugen. Glatze hat genickt und „Okay“ gemurmelt.
    Die Loretta ist losgehopst, hat sich

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