Lust auf Lust: Intime Geständnisse
Angenehm
K ichernd drücke ich die Klingel. Gleichzeitig versuche ich, so gut es geht, mein Gleichgewicht zu halten. Irgendwo besoffen ankommen geht ja noch, aber irgendwo besoffen über die Schwelle stolpern, das ist dann doch unter meiner Würde - habe ich beschlossen, nachdem ich eigentlich schon den Ruf weg hatte.
Die Tür wird schwungvoll von Peter geöffnet, dem Gastgeber, der mich dann auch gleich charmant auffängt, als ich mit dem Absatz an der Schwelle hängen bleibe, während mein restlicher Körper schon ein Stück weiter ist. Das nenne ich falschen Schwellengebrauch, und das hat nichts mit Fallen oder Stolpern zu tun. »Renske! Schönheit!«, ruft er, was mich sehr freut, weil ich da wieder merke, wie gut ich ihn abgerichtet habe.
Er führt mich ins Wohnzimmer, in dem nur Jungs sitzen, klar, und ein Mädchen - was?! Es ist eine kleine Party, nichts Besonderes, und ich habe eigentlich damit gerechnet, dass ich hier alle kenne und mich entsprechend sicher fühlen kann. Aber da ist jemand, den ich nicht kenne. Und es ist ein Mädchen. Aber ich bin besoffen, habe meine gemeinen spitzen Stiefel an, mit denen ich einen kleinen Hund aufspießen könnte, und ich bin ein gutes Stück größer als sie. Ich bin schließlich ein cooles Mädchen. Oder?
»Hallo«, sage ich.
»Hallo«, erwidert sie, nicht allzu feindselig. Ermutigend. »Woher kennst du die alle?«, fragt sie. »Ich bin gerade neu in Peters Klasse gekommen, und er hat mich gleich eingeladen, was ich total nett finde, aber ich kenn hier niemanden.«
»Oh«, sage ich begeistert, »also: Jelle, der Blonde da drüben, das ist ein Exfreund von mir, schon lange her, aber über ihn kenne ich Rogier - den da -, mit dem hab ich’ne Zeitlang rumgehangen, und Thijs, das war ein One-Night-Stand, aber dann dreimal oder so, und Frank, das ist ein sehr guter Freund, mit dem bin ich mal völlig besoffen im Bett gelandet, und danach sind wir echt close geworden, und Mik, der Lange da, mit dem hatte ich für eine Woche oder so ein Verhältnis, und der da, das ist ein Freund von Peter, mit dem hab ich auch mal geschlafen, und natürlich mit Peter selbst, ja, ein paar Mal Sex, aber wir fanden dann beide, dass einfach so befreundet sein doch besser ist.«
Das Mädchen starrt mich an. Dann sagt sie: »Also, ich weiß ja nicht … aber ist das echt dein Ernst, dass du so ungefähr mit jedem hier im Zimmer im Bett gewesen bist?«
Ich schaue sie kurz dumm an und gucke dann zu den Jungs rüber, die in Grüppchen quatschen, lachen und trinken. »Ja«, sage ich, etwas aus dem Konzept gebracht. »Ja, eigentlich schon.«
»Na hör mal!«, sagt das Mädchen, während sich ihre Miene von freundlich zu ›ich hab gerade’ne tote Ratte gesehen!‹ verändert. »Ist das dein Ernst? So jemand bin ich echt nicht! Das find ich echt widerlich!«
Das hatte ich nicht erwartet. Ich bin unbewaffnet und auf bekanntem Gebiet, leichte Beute also. Mein besoffenes Gehirn wägt rasch ein paar Optionen ab: Schnell das Thema wechseln (Und was ist dein Lieblingstier?), ganz laut losschreien (Mannomann, bist du aber besoffen! Ich kapier kein Wort mehr von dem Zeug, das du da quatschst!) oder in die Küche entführen, den Mund mit Tape zukleben und in den Schrank sperren - »ist nur zu deinem Besten, ehrlich«. Aber dann überlege ich mir: Nein. Was erlaubt sich die Tussi eigentlich? Was ist daran denn widerlich? Warum ist es eigentlich immer noch so, dass Frauen nicht ins Bett gehen dürfen, mit wem sie wollen, wann sie wollen und mit wie vielen sie wollen? Was hat die Gesellschaft davon, wenn sie Frauen, die ihre Sexualität selbst in die Hand nehmen, heruntermacht und an den Pranger stellt? Warum laufen Horden von Frauen herum, die gerne wollen, sich aber nicht trauen, und die nicht »so eine« sein wollen? Warum? Wofür? Was haben die davon? Was gewinnt man, wenn man nein sagt und doch will? Warum ist ›Schlampe‹ so ein dreckiges Wort, wo es doch dafür steht, dass man einfach tut, was man will? Wieso muss man unbedingt ein schlechter Mensch sein, wenn man mit vielen verschiedenen Partnern Sex hat? Warum dürfen Jungs das immer noch, erwarten aber von den Mädchen, dass sie die Beine zusammenkneifen, nur weil sie kein abgelutschtes Butterbrot haben wollen, während wir mit ihrem durchweichten Baguette zufrieden sein müssen?
Also frage ich das Mädchen: »Soso. Das findest du also widerlich. Und warum?«
»Na, ist doch logisch, oder? Als Mädchen muss man ein bisschen auf sein
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