Lustnächte
„Na? Sagt dir das etwas?“
„Nein.“
„Grundgütiger. Pierre! Hast du dir vollkommen den Verstand versoffen? Man kennt doch diese Zeichnung.“
„Ich nicht.“
„Dann werde ich es dir erklären. 1967 hat ein gewisser Gérard de Sède ein Buch veröffentlicht: „L’or de Rennes“. Es erschien später auch unter dem Titel „Le trésor maudit“, der verwunschene Schatz. Es ist eine mehr oder minder wissenschaftliche Abhandlung über den Schatz von Rennes-le-Château. Und in diesem Buch wird die Zeichnung hier gezeigt. Der Schatz von Rennes-le-Château. Das sagt dir aber jetzt was, oder?“
„Ja, den Blödsinn kenne ich“, brummte er. „Ganze Generationen von Schatzsuchern haben versucht, ihn zu finden, seit der Priester in diesem Kaff so plötzlich reich geworden ist. Gefunden hat ihn aber keiner.“
„Richtig. Und der Priester dieses Kaffs, wie du ihn nennst, Abbé Bérenger Saunière, soll seinerzeit vier Pergamente gefunden haben, die ihn zu diesem Schatz geführt haben. Im Zusammenhang damit spricht man von einer Steinplatte, die sich angeblich auf dem Grab einer gewissen Marie de Nègre d’Ablès befunden haben soll. Sie starb 1781. Niemand kann sich rühmen, diese Platte je im Original gesehen zu haben. Angeblich hat Saunière die Inschrift zerstört. Doch de Sède hat eine Zeichnung davon in seinem Buch veröffentlicht, ebenso wie den Inhalt zweier Pergamente. Und diese Zeichnung der Grabplatte zeigt in der unteren linken Ecke jenes Zeichen, das wir auf dem Pergament von Landévennec gefunden haben. Kannst du mir folgen?“
Er schüttelte resigniert den Kopf.
„Das ist Unsinn. Wenn es stimmt, was du sagst, liegen zwischen jener Grabplatte und diesem Dokument mehr als vierhundert Jahre.“
„Dennoch ist es die gleiche Zeichnung“, beharrte Jean-Luc in seiner starrköpfigen Art. „Ich werde mich mit meinem Bekannten in Verbindung setzen, damit er die Echtheit des Dokuments feststellt.“
„Versuch den Preis für sein Schweigen runterzuhandeln. Ich kann mir nämlich denken, wer das deiner Ansicht nach bezahlen soll.“
„Mach dir keine Sorgen. Schließlich ist es ja dein Dokument. Du solltest dankbar sein, dass wir uns so für dich einsetzen.“
„Gerade habt ihr noch behauptet, ich hätte es dem französischen Staat gestohlen.“
„Gott, sind wir heute empfindlich. Ich werde jedenfalls morgen früh nach Paris fahren.“
„Sicher auch auf meine Kosten. Was willst du in Paris?“
Jean-Luc lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schlug seine langen Beine übereinander.
„Jeder, der in Frankreich ein Buch veröffentlichen will oder sonst irgendetwas, das er in der Öffentlichkeit verbreiten möchte, muss zu diesem Zweck eine Abschrift in der Bibliothèque Nationale in Paris hinterlegen. Also hat de Sède das wohl auch getan. Möglicherweise auch Abschriften der vier Pergamente von Abbé Sauniere oder eine Zeichnung der Dalle. Jeder kann dort die Unterlagen einsehen. Okay?“
„Und dann?“
„Wenn dieses Pergament sich als echt herausstellt, wissen wir, dass die Tempelritter einen Schatz aus ihrem Hauptquartier in Paris an einen geheimen Ort geschafft haben. Und wenn wir beweisen können, dass diese Zeichnung hier die gleiche ist, wie sie auf derGrabplatte eingraviert war, können wir einen Zusammenhang herstellen zwischen diesem Schatz und demjenigen, den Abbé Sauniere gefunden haben soll. Und dann, mein Freund, könnt ihr beide, Marc und du, einige eurer Bauprojekte zeitlich etwas verschieben und mit mir auf Schatzsuche gehen. Ich muss los.“
Damit war er verschwunden.
„Nur, dass niemand weiß, ob dieser Schatz überhaupt existiert“, sagte er zu der geschlossenen Tür.
Marc sah ihn herausfordernd an.
„Du glaubst ihm nicht. Ich dachte, er sei dein Freund.“
„Ist er auch. Aber ich bin nicht blind vor Liebe wie du.“
„Versuch nicht dauernd, unser Verhältnis in den Schmutz zu ziehen.“
„Das tue ich nicht. Das weißt du. Aber du könntest etwas kritischer sein, was seine Ideen angeht. Ich habe die ganze Zeit gesehen, wie du an seinen Lippen hängst und unvoreingenommen jedes seiner Worte aufsaugst wie ein trockener Schwamm.“
„Ja, aber wo Jean-Luc recht hat, hat er nun mal recht. Und du kannst nicht bestreiten, dass das hier etwas ist, was ganz genau in sein Fachgebiet passt. Auch dir muss man nicht erklären, wie reich die Templer waren. Ihr Orden war eine einflussreiche politische und wirtschaftliche Macht. Sie waren Händler, Bankiers,
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