1484 - Der Teufel von Venedig
»Was sagen Sie dazu, Mr. Sinclair?«
»Sie meinen zum Teufel?«
»Genau, den habe ich gesehen.« Er schaute mich wieder aus seinen fiebrigen Augen an.
»Was wollen Sie hören?«
»Ob es der Teufel gewesen sein könnte«, flüsterte er mir zu. »Der die Hölle verließ, um die Lagunenstadt zu besuchen.«
Es war nicht einfach, dem Mann eine Antwort zu geben, ohne ihn zu beleidigen, und so stellte ich meine nächste Frage.
»Wie hat er denn ausgesehen, Mr. Cox?«
Der Kollege lehnte sich zurück und lachte. Danach konnte er wieder sprechen. »Sie werden es kaum glauben, Mr. Sinclair. Er ist eine Schönheit gewesen – zunächst. Ein wunderschönes Frauengesicht. Dann fiel die Maske, sage ich Ihnen.«
»Sahen Sie dann den Teufel?«
»Ja.«
»Und wie sah er aus?« fragte ich.
»Schrecklich«, flüsterte mein Gegenüber. »Er hat einfach schrecklich ausgesehen. Ein grünes und sehr hässliches Gesicht bekam ich zu sehen. Einfach grauenhaft.« Er deutete gegen seine Brust. »Ich kann Ihnen versichern, Mr. Sinclair, das ist der Satan gewesen, auch wenn er nicht so aussah, wie man ihn von Bildern her kennt. Er hatte keinen Buckel und keinen Pferdehuf und er spie auch kein Feuer. Aber so einer kann nur der Teufel gewesen sein, dieser furchtbare Dämon.«
»Hat er auch etwas getan?« fragte ich.
Cox schaute mich wieder direkt an. »Ja«, flüsterte er dann. »Ja, er hat was getan. Sie werden es kaum glauben, aber es entspricht den Tatsachen. Der Teufel hat gemordet. Er hat es geschafft, meine Freundin zu töten. Er hat sie umgebracht, verstehen Sie? Eiskalt wurde sie von ihm vernichtet.«
»Dann sind Sie zu zweit nach Venedig gefahren?« Auf die Tat ging ich zunächst nicht ein. Ich hatte noch immer das Gefühl, nicht die ganze Wahrheit gehört zu haben. Es war seltsam, dass ich den Kollegen nicht ernst nehmen konnte.
Als ich einen Blick auf meinen Freund und Kollegen Suko warf, da sah ich, dass auch er skeptisch schaute. Nur mischte er sich nicht ein, und auch ich ließ den Mann reden.
»Ich habe meine Freundin oder Begleiterin erst in Venedig kennen gelernt. Sie heißt Virna und ist ebenso Touristin gewesen wie ich. Sie kam aus dem Süden des Landes, vielleicht sogar aus Sizilien. Wir haben uns toll verstanden, und Virna war auch nicht eben prüde. Und nun ist sie tot. Und ich weiß, dass der Teufel sie geholt hat, und das ist wirklich nicht zum Lachen.«
Ich winkte ab. »Um Himmels willen, daran habe ich auch nie gedacht. Aber wie kam sie um? Das würde mich interessieren. Dann gibt es ja auch noch eine Polizei in der Lagunenstadt.«
»Ja, das weiß ich.«
»Alles der Reihe nach.«
Brian Cox sammelte sich. Er ging dabei tief in sich und sagte mit leiser Stimme: »Wir standen an einem der unzähligen Kanäle. Mitternacht war schon vorbei, und es war ein Ort, der recht still war. Man hörte nur das Klatschen der Wellen, man sah die Gebäude, man konnte den samtblauen Himmel erkennen und das dunkle Wasser. Ich hatte meine Kamera mitgenommen, um ein paar Fotos in der Dunkelheit zu schießen. Um ein bestimmtes Motiv bannen zu können, musste ich ein paar Meter zur Seite gehen, wo der kleinere Kanal in einen breiteren mündete. Das war für die Aufnahmen ein idealer Punkt. Ich habe auch einige Bilder geschossen, bis ich den leisen Schrei hörte und zugleich ein Klatschen. Ich wirbelte herum. Ich sah Virna im Wasser und ich sah ihn.«
»Den Teufel?«
»Ja, dieses Untier aus der Lagune. Das schreckliche Wesen, das meine Freundin gepackt hielt. Obwohl es finster war, habe ich die Farbe erkannt. Es war ein dunkles Grün. Eine Haut, die einleichtes Schimmern abgab, als würde sie von innen her leuchten. Ich sah auch böse und funkelnde Augen, und ich achtete dabei nicht mehr so sehr auf Virna. Ich war einfach fertig, wenn Sie das verstehen, Mr. Sinclair.«
»Klar. Reden Sie weiter!«
Brian Cox musste erst wieder etwas trinken.
»Er hat meine Virna nicht mehr losgelassen. Er war so verdammt brutal. Er hat sie kurzerhand ins Wasser gezogen. Seit dieser Zeit habe ich sie nicht mehr gesehen. Er hat sie geholt und bestimmt ertränkt, und für mich ist dieses Wesen der Teufel gewesen. Sie können da anders denken, doch ich habe ihn so getauft. Der Teufel von Venedig, der Virna geholt hat.«
»Das ist natürlich schlimm«, sagte ich und nickte in seine Richtung. »Was hat die Polizei denn unternommen?«
Cox schaute mich an, als hätte ich etwas Schlimmes gesagt. Dann flüsterte er: »Die Polizei? Haben Sie wirklich
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