Luzifer
sogar glauben…«
***
Sie saß vornübergebeugt und hatte die Hände auf beide Wangen gelegt. So starrte sie zu Boden, während nicht weit entfernt die Kaffeemaschine glucksende Geräusche produzierte.
Die Frau schaute nicht einmal auf, als Suko und ich das Vorzimmer betraten. Wir sahen sie, blieben stehen, blickten uns verwundert an, bis ich fragte: »Mein Gott, was ist los, Glenda?«
Dann erst bewegte sich Glenda Perkins, unsere Sekretärin. Sie ließ die Arme sinken und hob den Kopf wie im Zeitlupentempo. Als sie uns anschaute, sah ich in ihren Augen einen müden Glanz. Das Lächeln auf den Lippen wirkte verloren.
»Auch schon da?« fragte sie.
»Was ist das denn für eine Begrüßung?« beschwerte sich Suko.
Müde winkte Glenda ab. »Ich weiß es selbst nicht. Sorry, wirklich, aber ich fühle mich, als wäre ich in einen Reißwolf geraten. Ich bin völlig von der Rolle.«
»Wieso?«
»Die letzte Nacht, John. Sie war einfach schrecklich. Ich habe kaum Schlaf gefunden.« Glenda nickte in Richtung Fenster. »Das muß einfach am Wetter gelegen haben.«
»Bestimmt.«
»Seid ihr denn besser drauf?«
»Nein«, antwortete Suko für mich mit. »Auch wir fühlen uns wie durch die Mangel gedreht.«
»Das kann ich euch nachfühlen. Da hat es wohl jeden Bewohner Londons hart erwischt.«
»Jeden?« fragte ich.
»Wieso?« Glenda schüttelte den Kopf. »Meinst du etwa, daß nur wir die Kopfschmerzen verspürt haben?«
»Vielleicht.«
»Das verstehe ich nicht.«
Ich räusperte mich. »Hast du eigentlich heute schon den Himmel betrachtet?«
»Ja.«
»Ist dir etwas aufgefallen?«
»Nur die unnatürliche Farbe, die blasse Bläue, fast wolkenlos. Einfach unnatürlich.«
»Stimmt, aber ich habe noch etwas gesehen.«
»Was denn?«
»Ein gewaltiges Kreuz, dessen Ausmaße sich über den Himmel spannten. Du kannst dir kaum vorstellen, daß dieses Kreuz so aussah wie meines. Nur eben vergrößert.«
Sie holte durch die Nase Luft. »Das ist doch nicht möglich«, flüsterte sie.
»Es stimmt trotzdem. Am Himmel zeichnete sich mein Kreuz ab. Riesig, überdimensional, einfach gewaltig. Den Grund dafür kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Mit meinem eigentlichen Kreuz jedenfalls hat es nichts zu tun.«
Sie schüttelte den Kopf und hob die Schultern. »Ich glaube, da bin ich überfragt. Nur wundere ich mich darüber, daß dieses Omen etwas mit meinen Schlafstörungen zu tun haben soll.«
»Darüber müssen wir auch noch nachdenken«, sagte Suko. »Jedenfalls haben wir den Eindruck, daß sich irgend etwas über unseren Köpfen zusammenbraut. Daß jemand nach uns greifen will oder schon nach uns gegriffen hat, wenn dir das lieber ist.«
»Habt ihr denn einen Verdacht?«
Suko hob die Schultern.
»Lilith?« fragte Glenda, die über viele Dinge informiert war und sofort die richtigen Schlüsse gezogen hatte.
»Es kann sein«, gab ich zu. »Wir haben auch schon an noch etwas Schlimmeres gedacht.«
»Luzifer«, sagte Suko.
Glenda schluckte. Vom Hals abwärts fuhr sie mit der Hand über ihren senfgelben Pullover, zu dem sie einen dunklen Rock trug.
»Hat es dir die Sprache verschlagen?« Ich lächelte.
»Allerdings«, flüsterte sie.
Ich befand mich auf dem Weg zur Kaffeemaschine. »Dann werden wir mal eine Tasse von deinem Muntermacher zu uns nehmen. Vielleicht geht es uns dann besser.«
»Ja, das meine ich auch.«
Selbst Suko verzichtete an diesem Morgen auf den Tee und nahm seine Tasse Kaffee mit ins Büro.
Ich hatte das Gefühl, auf Eiern zu laufen. Nicht daß die Welt um mich herum verschwamm, aber etwas war anders. Als wäre der Kreislauf nicht mehr intakt.
Schwer ließ ich mich auf den Schreibtischstuhl fallen. Die Tasse hatte ich zuvor abgestellt.
»Und jetzt?« stellte Suko eine seiner Standard fragen.
»Leere ich die Tasse.«
Der Kaffee war ein Genuß. Ich trank ihn in kleinen Schlucken.
»Glenda auch«, sinnierte Suko. »Der Kreis weitet sich demnach aus. Die Gefahr verdichtet sich.«
»Seit wann bist du so pessimistisch?«
Er hob die Schultern. »Haben wir nicht allen Grund dazu, pessimistisch zu sein?«
»Möglich.«
»Wir sollten mit Sir James darüber reden, John.«
Ich nickte. »Daran habe ich schon gedacht.« Die erste Tasse war leer. Besser fühlte ich mich trotzdem nicht. Es fehlte nach wie vor an der Konzentration. Ich war einfach schwach auf den Beinen, als wäre eine Grippe im Anmarsch.
Vielleicht sogar eine magische Grippe. Möglicherweise hatte uns irgendeiner
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