Luzifer
nichts Neues. Da kann ich sogar mitreden!«
»Du auch?«
»Klar.«
»Dann liegt es am Wetter. Hast du dir schon den Himmel angesehen und das Fenster geöffnet?«
»Habe ich, Suko. Nur wundert es mich, daß es auch dich erwischt hat. Du reagierst doch sonst nicht auf Wetterumschwünge. Wenigstens hast du das immer behauptet.«
»Richtig. Aber heute morgen, John, da ist alles anders.«
Ich nickte langsam. »Ja, da hast du recht. Es ist tatsächlich alles anders.«
»Wie kommt das?«
»Keine Ahnung, aber vielleicht hat es etwas mit dem Kreuz zu tun, das heute morgen am Himmel stand. Hast du es nicht gesehen?«
Ich ging auf meinen Freund zu und schaute ihn scharf an.
»Nein.«
»Dort zeichnete sich ein riesiges Kreuz ab!«
Suko sah so aus, als wüßte er nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Jedenfalls zuckte er mit den Mundwinkeln und wartete wohl darauf, daß ich weiterredete.
Ich tat ihm den Gefallen. »Ich sah ein gewaltiges Kreuz, das sich am Himmel abzeichnete, als wäre es von einem Maler direkt unter das seichte Blau gepinselt worden.«
»Und weiter?«
»Es war mein Kreuz, Suko.«
»Nein, du bist verrückt!« Der Inspektor ging einen Schritt nach hinten.
»Das ist doch nicht möglich!«
»Doch, Suko, es ist möglich. Am Himmel war mein Kreuz zu sehen. Du kannst mir glauben, daß ich es erkannt habe.«
»Klar, das sage ich auch nicht. Aber wieso? Weshalb hast du am Himmel dein Kreuz gesehen?«
»Das möchte ich auch gern wissen. Jedenfalls bin ich zu dem Entschluß gekommen, diesen Vorgang als Omen oder als Warnung zu betrachten. Irgendeine Kraft oder Macht scheint sich für mein Kreuz zu interessieren, aus welchem Grunde auch immer.«
Suko strich über sein Kinn. »Ich könnte mir auch keinen vorstellen, aber das Kreuz birgt ja noch Geheimnisse.«
»Sicher. Ich denke dabei an die verschwundenen Zeichen.«
»Richtig, John.«
Grübelnd legte ich die Stirn in Falten. »Meinst du vielleicht, daß diese Abbildung etwas mit den von Lilith geraubten Zeichen zu tun haben könnte?«
»Ja.«
Ich schabte über mein Haar. »Darin sehe ich keinen Grund. Es ist nichts passiert, was diesen Anblick gerechtfertigt hätte.«
»Noch nicht. Oder etwas, von dem wir nichts wissen. Da muß eine Kraft sein, John. Liegt es wirklich nur am Wetter, daß wir uns beide so mies fühlen?«
»Keine Ahnung.«
»Es kann sein, muß aber nicht. Hast du dir dein Kreuz eigentlich schon einmal angeschaut?«
»Heute morgen noch nicht.«
»Dann mach es jetzt!«
Ich lächelte knapp, als ich nach der dünnen Kette faßte und sie über den Kopf streifte.
Suko schaute mir dabei zu. Sein Gesicht war ernst geworden. Wir beide fühlten uns nicht wohl in unserer Haut, selbst bei dieser einfachen Geste nicht, die ich schon unzählige Male hinter mich gebracht hatte.
Ich zog das wertvolle Stück, das einst der Prophet Hesekiel in weiser Voraussicht geschaffen hatte, hervor und ließ es flach auf dem Handteller liegen.
Da lag es nun, ohne sich verändert zu haben. Ich sah die eingravierten Zeichen an den Enden, ich sah auch das allsehende Auge und die heilige Silbe AUM. Es war eigentlich alles vorhanden, bis auf die Zeichen in der Mitte, die einmal gewesen waren, bevor sie Lilith genommen hatte. Über die Zeichen wußte ich bis heute nicht Bescheid. Daß sie verschwunden waren, hatte ich als schlimm empfunden, auch wenn das Kreuz nach wie vor normal reagierte, aber ich konnte mir nicht helfen. Irgendwo blieb ein Restverdacht bestehen, daß es in gewisser Hinsicht an einer sehr langen Leine hing, die eine bestimmte Person führte. Wahrscheinlich nicht Lilith, sondern derjenige, der sich an ihrer Seite aufhielt, zu dem sie aufschaute. In ihm manifestierte sich das Urböse. Sein Name: Luzifer!
Suko trat wieder näher, damit er sich das Kreuz genau anschauen konnte.
»Nun?« fragte ich, »hat es sich verändert?«
»Nein.«
»Ich sehe ebenfalls nichts.« Um sicherzugehen, drehte ich es herum. Auch auf der glatten Rückseite zeigte sich keine Veränderung. Wir standen vor einem Rätsel.
Ich hängte es wieder um.
Suko hob die Schultern. »Da kann man wohl nichts machen, Alter. Oder wie siehst du das?«
»Ebenso.«
»Es bleibt die Warnung.«
Ich nickte. »Das ist richtig. Trotzdem möchte ich jetzt ins Büro fahren. Was ist? Kommst du mit?«
Er grinste mir schief zu. »Glaubst du denn, daß ich dich jetzt allein lasse?«
»Danke, du bist ein wahrer Freund.«
»Wenn du es nicht spöttisch gemeint hättest, würde ich dir
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