Lykos (German Edition)
Kopf.
„Der Doktor ist noch im Haus. Wenn sie wollen ...“
Carola Ritsch sah ihren Mann bittend an und er willigte endlich ein. „Na gut, wenn es denn sein muss“, antwortete er und atmete tief durch.
„Der Doktor ist unten, ich rufe gleich an, sie können die Treppe dort hinabgehen, bitte“, erklärte der Hotelangestellte und nahm den Hörer in die Hand.
Carola und Bernd Ritsch stiegen die Treppe in die untere Etage mit den Duschen für die Strandbesucher hinunter, in der auch ein Behandlungszimmer für den täglich erscheinenden Arzt vorhanden war.
Der Doktor, ein Spanier mittleren Alters mit einem weißen Hemd und einer dunkle Hose bekleidet, erwartete das Ehepaar bereits und bat beide hinein. „Bon Dia, guten Abend“, sagte er freundlich und betrachtete das blutverschmierte und zerrissene T-Shirt seines Patienten. „Was haben Sie gemacht?“, fragte er und deutete mit dem Finger auf den Riss.
„Irgend so ein ... Typ hat uns angegriffen und mich mit einem scharfen Gegenstand geschnitten“, antwortete Bernd Ritsch aufgebracht.
„Was war das für ein scharfer Gegenstand?“, fragte der Arzt, während er das Shirt vorsichtig anhob und sich die Wunde genauer ansah.
„Ich weiß es leider nicht, denn ich ...“
„Mein Mann war für einen Moment bewusstlos“, ergänzte Carola Ritsch, nachdem Bernd nicht weitergesprochen hatte.
Der Doktor nickte vielsagend und fragte sie, ob sie auch verletzt sei.
„Nein, mit mir ist alles in Ordnung, keine Wunden, nichts“, antwortete sie hastig.
„Bien, dann werde ich mir die Wunde genauer ansehen.“ Er holte etwas Zellstoff, tränkte ihn mit einer Flüssigkeit und tupfte dann vorsichtig den Hautriss ab. Bernd Ritsch atmete scharf ein, denn es brannte höllisch. Zum Glück ließ der Schmerz jedoch ziemlich schnell wieder nach.
„Bitte entschuldigen sie, aber es muss gereinigt werden, sonst entzündet es sich. Es sieht aus wie von einer ... Kralle“, stellte er fest. „Vielleicht war es ein Hund?“
„Nein, der Kerl ging auf zwei Beinen und war etwas größer als ich“, antwortete Bernd Ritsch und zeigte mit der Hand in etwa die Größe an. „Meinen sie, wir sollten die Polizei verständigen?“
„Ja, das sollten sie machen. Ein großer Kerl, sagten sie, war das?“, fragte der Arzt noch einmal nach, während er den Riss weiter behandelte und dann etwas Zelltuch mit zwei Klebestreifen darüber legte.
„Ja, er hatte sich hinter einer Mauer dort oben außerhalb der Siedlung versteckt und uns mit einem Schweinekopf beworfen. Dann sprang er auf, griff uns an und verschwand“, antwortete Bernd Ritsch.
Der Arzt blickte ihn verwundert und irgendwie seltsam an, als glaubte er die Geschichte nicht so ganz. „Gehen sie zur Polizei. Morgen!“, riet er den beiden Touristen, während er sich die Hände wusch und danach einen Schein mit seiner Arztrechnung ausfüllte.
Bernd und Carola Ritsch saßen später an diesem Abend noch lange auf ihrem Balkon und sprachen über das Erlebnis, das ihnen ihren ersten Urlaubstag so richtig verdorben hatte ...
Salzgitter
Das DSG-Getriebe schaltete mit einem leichten Ruck herunter und der Passat beschleunigte die steile Burgbergstraße hinauf. Es folgte eine scharfe Rechtskurve und dann das letzte Stück bis hoch zum Aussichtsplatz auf dem Höhenzug von Salzgitter. Eigentlich fuhr Peter Straub diese Strecke nur ab und zu am Wochenende hinauf, wenn er mit seiner Familie spazieren ging oder er und die Kinder im Winter die sogenannte Kuhweide mit Rodelschlitten hinabrasten. Heute wurde er jedoch dienstlich herbestellt – und das bedeutete in diesem Fall eher unangenehme Dinge. Peter Straub war Oberkommissar der Kripo in Salzgitter und vor allem zuständig für Kapitalverbrechen. Wenn in dieser Stadt irgendwo eine Leiche gefunden wurde, die ganz offensichtlich oder höchst wahrscheinlich nicht eines natürlichen Todes gestorben war, dann rief man Straub und seine Kollegin Angela Damm – genannt „Karate Angela“ – zu dem Fundort.
Es war zehn Uhr morgens und vor etwa zwölf Minuten hatte man Peter und Angela vom (inoffiziellen) zweiten Frühstück weggerufen und in den Lichtenberger Wald bestellt, wo ein Jogger einen offensichtlich grausigen Fund gemacht hatte, wie es per Funk geheißen hatte.
Straub fuhr die letzte Kurve vor dem Scheitelpunkt der Straße an und bog dann links in den Parkplatz ein, von dem aus man die verschiedenen Wanderwege rings um den Burgberg erreichen konnte. Rechter Hand davon führte eine
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