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Lykos (German Edition)

Lykos (German Edition)

Titel: Lykos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Björn Harmening
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einem halben Jahr seine ehemals lange Mähne hatte abscheren lassen. „Ich frage mich, wo diese Straße wohl hinführt? Sieht so aus, als ob es da weit auf die Felder hinausgeht.“
„Lass uns doch ein Stück gehen, dann finden wir es heraus.“
„Und wenn dort ein Sittenstrolch lauert?“, scherzte er und kniff seine Frau lachend in den Po.
„Der einzige Sittenstrolch, der hier zu erwarten ist, bist du“, antwortete Carola und sprang schreiend nach vorn. „Komm schon, gehen wir noch ein Stück.“
Arm in Arm schlenderten sie die von einer flachen Mauer aus rauen, übereinandergelegten Steinen flankierten Straße entlang in die Dunkelheit.
„Hör dir das an“, sagte Bernd und hob einen Zeigefinger. Das Läuten von kleinen Glocken war schwach zu hören, eine Schafherde graste offensichtlich in der Nähe. Die nur von den Sternen und dem Mond beleuchtete Landschaft zog sich von der Küste über sanfte Hügel in das Binnenland. Knorrige Olivenbäume wuchsen auf den Feldern hinter der Steinmauer auf beiden Seiten der Straße. In der Ferne konnte man im Licht des Mondes die Umrisse kleiner, ursprünglicher mallorcinischer Höfe erkennen. Dicht am Rand der Mauer erhob sich ein seltsames rundes Gebilde, das fast wie die herabgefallene Kuppel eines Doms aussah, die man hier einfach abgelegt hatte. Bei näherer Betrachtung konnten Carola und Bernd erkennen,  das Gebilde ebenfalls aus den rauen Steinen gebaut war, wie die Mauern, an denen sie entlang schritten.
Plötzlich erklang ein quiekender Schrei, dem ein furchtbar lautes Grunzen folgte. Die beiden nächtlichen Spaziergänger erschraken heftig und zuckten zusammen. Das Grunzen und Quieken wiederholte sich noch mehrmals hinter dem Steingebilde und wurde dann von einem schmatzenden Geräusch abgelöst.
„Was war denn das?“, fragte Carola noch immer ängstlich und hielt ihre linke Hand auf das Herz.
„Schweine“, lachte Bernd erleichtert auf und versuchte, seinen eigenen Schreck zu überspielen. „Mann, ihr kommt gleich in den Topf, wenn ihr uns noch einmal so verjagt“, rief er in Richtung des Steingebäudes. Das Quieken und Grunzen wiederholte sich noch mehrmals und wurde dann plötzlich irgendwie hektischer. Es hörte sich fast so an, als gerieten die Tiere hinter dem Steingebäude in Panik. Bernd und Carola Ritsch wichen zurück und waren ratlos. Hatten sie etwas falsch gemacht? Durften sie etwa gar nicht hier sein? Sie malten sich schon beide aus, wie sie von der spanischen Polizei wegen Schweineerschreckens verhört wurden.
„Komm hier weg!“, sagte Carola ängstlich und zog ihren Mann am Arm fort von der Mauer.
„Ich tu euch doch nichts“, rief Bernd den offenbar stark verängstigten Tieren zu, die nun fast unerträglich laut brüllten. Die beiden verunsicherten Touristen wollten sich gerade entfernen, als das Schreien der Tiere schlagartig aufhörte und wieder von einem laut schmatzenden Geräusch abgelöst wurde.
„Mann, was machen die den da?“, fragte der junge Mann gerade, als plötzlich etwas über das Steingebäude herüberflog und auf der Straße direkt vor Carola und Bernd Ritsch liegen blieb. Zu ihrem Entsetzen konnten sie im Mondlicht erkennen,  es sich um den abgetrennten Kopf eines der Tiere handelte. Er war blutverschmiert und die Zunge hing unnatürlich lang aus dem Maul heraus. Das andere Ende sah aus wie herausgerissen, nicht etwa wie mit einem Messer geschnitten.
Carola würgte bei dem Anblick und übergab sich dann, während ihr Mann fassungslos auf den Tierkopf starrte und ebenfalls mit der Übelkeit zu kämpfen hatte. Was sollte das hier darstellen? Wenn das ein Scherz sein sollte, dann war nach dem Empfinden von Bernd Ritsch die Grenze jeden Geschmacks deutlich überschritten. Diese Spanier schienen offensichtlich jedes Mitgefühl für Tiere verloren zu haben. Das sah man ja schon immer an den Stierkämpfen, deren Plakate sie während des Transfers zum Beispiel in der Stadt Campos gesehen hatten. „Das ist überhaupt nicht witzig“, rief er voller Wut in die Dunkelheit und spürte, wie aus dem Entsetzen langsam starker Zorn wurde. Vielleicht wollte man sie beide ja auch nur erschrecken, um sie von hier zu verjagen. Schließlich war das nicht mehr reines Touristengebiet. Aber die Leute hier lebten letztendlich alle vom Tourismus und Bernd Ritsch war nicht der Typ, der sich einfach so verjagen ließ.
Gerade wollte er trotz der Dunkelheit näher an die Mauer herangehen, um die Übeltäter zu stellen, als sich

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