Lykos (German Edition)
schoss aus kurzer Distanz ohne vorher zielen zu können. Er verfehlte den Angreifer, der sich sofort wieder auf ihn stürzte. Doch plötzlich schnellte seine Kollegin sich dazwischen und trat mit einem hohen Kick an den Kopf des Wesens. Blitzschnell drehte sie sich um ihre eigene Achse und verpasste ihm einen zweiten Tritt, der es zurückwanken ließ.
Für einen Moment schüttelte sich das Wesen, das nun im Taschenlampenlicht noch erkennbare Züge von Bernd Ritsch trug. Seine Verwandlung war offensichtlich noch nicht gänzlich abgeschlossen. Das Mischwesen zuckte plötzlich und gab einen furchtbaren Klagelaut von sich. Dann sackte es offenbar vor Schmerz zusammen und verkrampfte sich am Boden. Unfassbar für die beiden Beobachter, verformten sich die Glieder des Mannes. Sie wurden dicker und dichtes Fell schoss förmlich aus der dunkler werdenden Haut hervor. Das Gesicht wurde wie von einer unsichtbaren Kraft länger und länger nach vorn gezogen und übergroße Zähne wuchsen in dem Maul, was mit einem starken Speichelfluss begleitet wurde. Bernd Ritsch – oder was im Moment von ihm noch übrig war – schrie und wimmerte weiter, während er sich am Boden wand. Aus seinen Fingern stachen Krallen hervor und Blut tropfte davon herunter. Diese etwa eine halbe Minute dauernde Szene wurde von Straub und Damm fast wie in einer nicht überwindbaren Starre beobachtet.
Doch irgendwann war diese unglaubliche Metamorphose offensichtlich beendet und das einem Wolf gleichende Wesen lag schwer atmend auf der Seite. Dann drehte es sich langsam um und blickte wieder direkt in den Taschenlampenschein. Wieder waren es gelb reflektierende Augen, welche die beiden Polizisten feindlich und voller Mordlust anstarrten. Es erhob sich und der stark behaarte Brustkorb des Wesens hob und senkte sich immer schneller.
„Wage es nicht“, knurrte Straub und richtete seine Waffe auf den tierischen Gegner. Seine Kollegin tat es ihm gleich und zielte ebenfalls auf den hässlichen Schädel. Das Wesen fauchte und ließ sein wirklich beeindruckendes Gebiss wie zur Warnung dabei sehen. Dann blickte es sich nach allen Seiten um und schien seine Chancen abzuwägen. Doch der Oberkommissar wollte es nicht so weit kommen lassen. Sein Blick wurde in diesem Moment regelrecht kalt und er schüttelte den Kopf. „Ich habe schon viele Dinge gesehen. Dinge, die ich wahrscheinlich nie wieder aus meinem Kopf bekomme. Aber das waren reale Sachen, die nun einmal passieren. Aber du darfst einfach nicht passieren – für dich ist kein Platz in dieser Welt!“
Straub feuerte den ersten Schuss ab und traf das Wesen mitten in die Brust. Er schoss nicht hastig, sondern überlegt, fast provozierend langsam. Er ging näher heran, der zweite Schuss traf den Kopf und warf das Wesen gegen die Tür hinter sich. Es taumelte und versuchte sich wieder aufzurichten, doch der dritte, vierte und fünfte Schuss des Polizisten – alle in die Brust – warfen es schließlich nieder. Es gab ein letztes Röcheln von sich und blieb dann reglos liegen.
Damm stand daneben und blickte ihren Kollegen mit einer Mischung aus Verwunderung und beinahe auch Entsetzen an. Sie selbst hatte keinen einzigen Schuss abgegeben, aber ihr unheimlicher Gegner war tot. Die selbe Rückverwandlung, wie vorhin bei der Frau, setzte nun auch bei Bernd Ritsch wieder ein. Nach wenigen Minuten lag der Mann ohne das geringste Anzeichen seiner eben noch vorhandenen monströsen Züge vor ihnen auf dem Boden.
Straub wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und klopfte erneut gegen die Tür, hinter der Thea Buchwald sich noch immer befand. „Kommen sie heraus, es ist vorbei“, sagte er. Zögerlich wurde ein Schlüssel im Schloss der Tür herumgedreht und offenbar etwas dahinter weggeschoben. Dann öffnete sich die Tür einen Spalt und das verstörte Gesicht der Reporterin erschien darin, die sich heraustraute, als sie die beiden Polizisten erkannte.
Etwa eine viertel Stunde später waren auch hier die Einsatzkräfte der Polizei vor Ort.
Die Reporterin saß mit einer Tasse heißen Kaffee mit den beiden Kriminalbeamten zusammen, während ein Sanitäter ihr eine kleine Wunde am Arm verband. Thea Buchwald berichtete, nein beichtete eher, dass sie die ganze Zeit den Polizeifunk abgehört hatte und so auf den Namen Ritsch gekommen war. Sie hatte dann die Verfolgungsaktion mitbekommen und war schnell hierher zum Haus von Bernd und Carola Ritsch gefahren, da sie die Frau irgendwann wieder hier zurückerwartet hatte.
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