Lyras Leidenschaft
sein und die Treppe herunterkommen, ohne die Gefahr zu ahnen, die ihn erwartete. Ohne die Bedrohung riechen zu können.
Angst machte sich in ihr breit.
Der Council hatte ihn fast sein ganzes Leben lang gefoltert, ihn wie ein Tier behandelt und ihm selbst die grundlegendsten menschlichen Rechte verweigert.
Er hatte nie selbst gebackenes Brot gegessen. Er hatte nie echten Kaffee getrunken. Er konnte nicht kochen. Demnach, was ihre Brüder erzählt hatten, waren viele Breed-Labors heruntergekommene Drecklöcher gewesen. Dennoch hielt er sein Haus blitzsauber und staubfrei und zog sich an der Tür die Schuhe aus. Er war ein Mann, der sich verzweifelt danach sehnte, zu leben und frei zu sein. Ein Mann, der lieben konnte – trotz des Horrors, den er erlebt hatte.
Und jetzt glaubten diese beiden da, sie könnten sie benutzen, um ihn zu töten? Das konnte und das würde Lyra nicht zulassen. Er gehörte jetzt zu ihr. Er war ihr Herz, ihre Seele. Sie konnte sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Ohne ihn würde sie sterben.
Denk nach, Lyra.
Sie blickte sich rasch um, während die beiden sie genau beobachteten.
Warne ihn. Wie könntest du ihn warnen?
Mit ihrem Geruch. Er konnte Erregung riechen. Er konnte Angst riechen.
Anstatt den Schrecken, der sie lähmte, und das Entsetzen, das ihren Verstand vernebelte, zu unterdrücken, ließ sie ihren Gefühlen freien Lauf. Sie musste Tarek warnen …
Tarek trat aus der Dusche und trocknete sich schnell ab, bevor er sich eine saubere Jogginghose anzog und zur Tür ging, um Lyra Bescheid zu geben, dass das Bad nun frei war.
Er trat ins Schlafzimmer und starrte eine lange Sekunde stirnrunzelnd auf das leere Bett, bevor er langsam den Kopf hob, als ihm ein neuer, unbekannter Geruch in die Nase stieg.
Angst!
Er konnte riechen, wie sich der Geruch der Angst beißend scharf und warnend mit der sanften Spur von Lyras unverwechselbarem Duft mischte. Aber da war sonst nichts. Kein anderer Geruch wehte durch die Schlafzimmertür, um ihm eine Vorstellung davon zu geben, was ihn unten erwartete.
Sie war seine Gefährtin, und er konnte die Gefahr, in der sie schwebte, in der Luft spüren.
Er griff nach dem Handy neben dem Bett und tippte den Notfallalarm ein, bevor er das Gerät auf die Matratze warf und zur Kommode schlich.
Er nahm eine der kleineren Waffen aus einer Schublade und zog dann die selbstklebende Rückseite von dem leichten, auf der Haut haftenden Holster ab. Er klebte sie auf eine Seite der Pistole und befestigte die Waffe in seinem Kreuz, bevor er sich ein Hemd anzog. Dann griff er nach einer zweiten Waffe, die oben auf der Kommode lag, überprüfte die Munition und ging zur Tür.
Er hielt inne und lauschte vorsichtig in die Stille hinein. Es brannte kein Licht, aber er brauchte auch keins. Er wusste zwar nicht, wer oder was da unten lauerte, aber es war kein Breed. Es bestand nicht die geringste Chance, dass ein Breed seinen Geruch so vollständig verbergen konnte. Nur manchmal, ganz selten, konnten es gewisse Menschen. Trainer wussten, wie das ging. Es war zwar schwer, zeitweise fast unmöglich, aber es war machbar.
Er ging zur Treppe und atmete langsam ein. Er roch keinen Breed- oder Menschengeruch, nur Lyra und ihre Angst. Sie war überwältigend, panisch. Doch daneben nahm er einen merkwürdig hohlen, sterilen Geruch wahr. Als wäre etwas gereinigt worden. Und einen weiteren Geruch, der nicht ganz so deutlich war, als würde etwas durch die Tarnung hindurchsickern, die benutzt worden war, um das Böse darunter zu verbergen.
Tareks Lippen verzogen sich zu einem grimmigen Zähnefletschen.
Die Männer waren zu zweit, und einer von ihnen war nervös und angespannt. Vielleicht nicht ganz so siegessicher wie der andere. Er war schwach. Er würde einen Fehler machen.
Auf dem Weg nach unten legte Tarek die zweite Waffe auf einer Treppenstufe ab, sodass er nach oben springen und sie holen konnte, wenn er sie brauchte. Wenn er bewaffnet hinunterging, würden sie wissen, dass er sie bemerkt hatte, und würden ihn nach Waffen abtasten. Und sie würden Lyra benutzen, um ihn in Schach zu halten, während sie ihm die versteckte Waffe abnahmen.
»Lyra, du hast vergessen, das Licht einzuschalten«, rief er, als er den Eingangsbereich betrat. »Hör endlich auf mit deinen Spielchen. Wo bist du?«
Er ließ seine Stimme herausfordernd und unbekümmert klingen, während er zur Küche ging, wo ihr Duft am stärksten war. Er blieb in der Tür stehen, stemmte die Hände in
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