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Macabros 011: Im Leichen-Labyrinth

Macabros 011: Im Leichen-Labyrinth

Titel: Macabros 011: Im Leichen-Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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keinen Grabstein, nichts, das
auf eine Grabstätte hingewiesen hätte.
    Und doch lagen hier die verblichenen Gebeine eines Menschen.
    Leibold sah sich vor dem Fleckchen Erde hocken, die Hände wie
ein Magier über die Stelle ausgebreitet, wo die Knochen liegen
mußten.
    Kleine Pflöcke waren in die Erde gerammt und bildeten ein
seltsames, undefinierbares Symbol.
    Leibold sah in dem Nebelbild, wie er sich nach vorn beugte. Wie
eine Vision lief alles vor ihm ab.
    Er hielt seine Hand plötzlich wie eine Kelle. Der Hohlraum
war gefüllt mit dampfendem Blut, das langsam durch seine Finger
rann und den alten Boden tränkte.
    Der vor der unbekannten Grabstätte Hockende murmelte
geheimnisvoll klingende Namen.
    Plötzlich riß der Boden auf.
    Unter der Erdschicht, die über der Grabstätte lastete,
knirschte und rumorte es.
    Ein breiter Spalt entstand.
    Ein Blitz zuckte herab und teilte wie ein Schwert die Luft vor dem
Totenbeschwörer.
    Der Geruch von Moder und Verwesung mischte sich mit dem
süßen schweren Geruch des Blutes, der über die
vergessene Stätte Wehte.
    Dann kam etwas aus dem Grab hervor.
    Eine Gestalt! Düster, verwahrlost, knochig… In Fetzen
hing das Totengewand an dem von Vergänglichkeit gezeichneten
Körper.
    Ein verklärter Ausdruck lag auf Leibolds Gesicht.
    Das waren die Bilder, die ihm jetzt entgingen, die er nur von
seinem inneren Auge sehen konnte.
    Erleben aber hätte er es können.
    Das Blut in seinen Ohren rauschte. Seine Augen glänzten wie
im Fieber.
    Blut! schoß es durch seinen Kopf. Er brauchte Blut.
    »Was ist denn los mit Ihnen?« hörte er wie aus
weiter Ferne die Stimme des Alten. »Ist Ihnen nicht
gut?«
    Leibold begriff kaum den Sinn der Worte.
    Blut! Damit konnte er erreichen, was er wollte. Vielleicht ging es
auch so.
    Es mußte nicht unbedingt das einer Zwanzigjährigen
sein. Die Hauptsache: es war warm und frisch, körperwarm.
    »Halten Sie… an… bitte«, stieß er
mühsam zwischen den Zähnen hervor. Er beugte sich nach
vorn. Er stöhnte und preßte die Hände auf die
Bauchdecke.
    Der Alte warf einen schnellen Blick auf den Gast an seiner Seite.
»Moment… aber natürlich«, sagte er verstört.
Er steuerte weiter an den Straßenrand. Der klapprige Opel kam
fauchend zum Stehen.
    »Wenn ich Ihnen etwas helfen kann, mein Herr, bitte sagen Sie
es mir und…« Es war die letzten Worte des alten Mannes.
    Ein Blitz schien sein Bewußtsein zu spalten. Dann wurde es
ihm schwarz für immer.
    Die Messerspitze drang oberhalb der Nasenwurzel genau zwischen den
Augen ins Hirn des Alten und bereitete seinem Leben von einem Atemzug
zu anderen ein Ende.
     
    *
     
    »Der erste Stich muß ins dritte Auge«, sagte Hans
Leibold, als müsse er eine auswendig gelernte Lektion
wiederholen.
    Jeder hatte das dritte Auge. Bei einigen Tieren konnte man es noch
ganz deutlich feststellen. Beim Menschen war im Lauf seiner
Entwicklung die Zirbeldrüse daraus erwachsen. In einer fernen
Vorzeit jedoch hatte dieses dritte Auge eine wichtige Funktion
gehabt.
    Aus der tiefen Stichwunde drang nur ein einziger Blutstropfen und
eine helle, flüssige Masse: Das beschädigte Gehirn.
    In zehn Minuten war Mitternacht!
    Hans Leibolds tiefliegende Augen befanden sich in ständiger
Bewegung. Er handelte wie ein Roboter.
    Er zerrte den Leblosen auf die Seite, wo er eben noch gesessen
hatte und nahm selbst den Platz hinter dem Steuerrad ein.
    Kumberg lag nur ein paar hundert Meter weit entfernt.
    Gleich hinter der Ortseinfahrt ging es rechts ab.
    Zum Friedhof, stand auf einem verwitterten, rissigen Schild.
    Dorthin fuhr er.
    Es ging an zwei uralten Häusern vorbei. Dann folgte ein
freier Weg. Gleich darauf erblickte er die Friedhofsmauer.
Darüber hinaus ragten einige der größten
Grabsteine.
    Leibold hielt vor dem schmiedeeisernen Tor.
    Es war nur angelehnt. Nach Einbruch der Dunkelheit hatte er
dafür gesorgt.
    Nun machten sich die Vorbereitungen bezahlt. Er gewann wertvolle
Sekunden.
    Obwohl nicht gerade von kräftiger Statur, ging er in die
Hocke und warf sich den Toten über die Schulter.
    So schnell es ihm möglich war, eilte er mit der Last den
düsteren Friedhofsweg entlang zwischen den Kreuzen und
Grabsteinen.
    Der vorbereitete Fleck lag ganz hinten, verdeckt hinter
Bäumen und alten, verwitterten Grabsteinen.
    Der nächtliche Besucher des Totenackers atmete schnell.
    Er ließ die Leiche ab. Auf der ungepflegten Grabstätte
vor ihm wuchsen Gräser und Unkraut, Löwenzahn und sogar
Klee.
    In unmittelbarer Nähe

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