Macabros 013: Mandragora - Herrin der Angst
auf die Beine zu kommen. Der
Kommissar war noch benommen. Hellmark richtete Fragen an ihn, um
Näheres über die rätselhafte Rauferei zu erfahren, in
die Merlin offensichtlich geraten war.
»Was für graue Gestalten waren das?«
»Steine, lebende Steine…«, schluckte Merlin. Man
sah ihm an, daß er das, gegen das er gekämpft hatte, noch
deutlich vor sich sah. Während des Sprechens sah er sich
öfters unstet um, als gäbe es da etwas, das nur darauf
wartete, ihn erneut anzufallen. »Sie waren groß wie
Riesen, stießen mit ihren kantigen Felsköpfen an die
Decke. Ich habe gedacht ich spinn – ich hörte den Wind
durchs Haus pfeifen, er trieb mich in die Ecke – wie eine Mauer
rückten sie auf mich zu – gierig griffen unheimliche
Hände nach mir – haben Sie jemals schon Hände aus
Stein gesehen? Nein, ich meine nicht die, wie man sie an Statuen
sieht – andere, richtige Steinhände – grob, unbehauen,
kantig, groß und rauh, um den Schädel eines Menschen
dazwischen zu zermahlen. Damit rückten sie an – fünf,
zehn – sie waren überall – ich rannte wie von Sinnen
durchs Haus – versuchte ihnen zu entkommen, aber sie waren
überall. Sie versperrten mir den Rückzug. Ich schlug um
mich, wehrte mich man wollte mich erdrücken – ich wurde in
die Enge getrieben. In meiner Verzweiflung riß ich die
Gardinenstange herunter – aber es war lächerlich. Ich
schlug sie kurz und klein an diesen Kolossen.«
»Die Einrichtung schlugen sie kurz und klein, Kommissar. Die
Gardinenleiste ist so gut wie unbeschädigt. Damit wollten Sie
mir den Scheitel geradeziehen, Kommissar.«
Björn bückte sich und hob die Leiste auf.
Sie war nicht kurz und klein geschlagen, wie Merlin behauptet
hatte.
Hellmark gelang es, den Kommissar in ein Gespräch zu ziehen.
Es zeigte sich, daß Merlin zugänglicher war als am Mittag
in seinem Büro. Das Erlebnis hier war nicht spurlos an ihm
vorübergegangen. Er sah jetzt auch die Tonbandaufnahmen, die er
bisher abgehört hatte, mit ganz anderen Augen an.
Merlin war dem Übernatürlichen begegnet und war nun
überzeugt, daß auch Erika Paller in Dinge hineingezogen
worden war, die sie eigentlich gar nicht gewollt hatte.
Merlin und Hellmark sprachen sehr sachlich miteinander, so gut
dies unter den bestehenden Umständen möglich war. Merlin
erfuhr von den Ereignissen in Pallers Labor.
Was für eine Macht war das, die so starke Halluzinationen
suggerieren konnte, daß man meinte, es geschähe
wirklich?
»Mandragora!« sagte Hellmark. »Es liegt an uns,
herauszufinden, wer oder was das ist. Wie es sich bemerkbar macht,
wissen wir nun. Jetzt heißt es, so schnell wie möglich
Näheres über das Schicksal von Erika Paller zu erfahren.
Dabei wollen wir vergessen, daß Dr. Bernd Kessler irgend etwas
damit zu tun hat. Mandragora ist der Feind. Erika Paller hat es
vielleicht geahnt. Wären Sie bereit, mir Einblick in die
Unterlagen zu gewähren, die Sie bis jetzt beschlagnahmt
haben?«
»Ich habe hier sehr wenig Material sichergestellt, da ich
überzeugt gewesen bin, daß der Fall eigentlich klar sei.
Der Meinung bin ich aber schon eine ganze Weile nicht mehr. Darum bin
ich ja hierhergekommen, um mich zu vergewissern, ob vielleicht an
dem, was Sie bei unserer ersten Begegnung von sich gaben,
möglicherweise doch etwas dran ist. Ich möchte die
Bänder hören, die es hier noch gibt. Aber das hat man
verhindern wollen.« Er blickte sich um und ging
kopfschüttelnd von einem Raum zum anderen. Überall sah es
gleich aus. Er hatte die Angreifer gesehen und bis zur
Erschöpfung gekämpft. Die anrückenden Gespenster waren
ihm so dicht auf den Leib gerückt, daß ihm wirklich die
Puste ausgegangen war.
Hellmark und Merlin machten sich gemeinsam daran, die
Tonbänder zu suchen. Björn hatte den Vorteil, daß er
das Arbeitsbuch Erika Pallers von deren Vater erhalten hatte und nun
aufgrund der dort vorhandenen Angaben jene Stellen nachschlagen
konnte, über die er dringend Bescheid haben mußte und die
weit über das hinausgingen, worüber Erika Paller
anderenorts geschrieben hatte.
Als er auf die Stelle stieß, die Mandragoras Planet betraf,
las er sich fest. Er fand die Hinweise auf Bänder und damit auf
die ausgesprochenen Gedanken und Erläuterungen der jungen
Apothekerin, die ihre Meinung über jenen fernen Stern darlegte,
der sie magisch anzog.
Die Lage und Helligkeit und die besondere Anziehung, die von ihm
ausging, wurde genau registriert.
»Ich habe keinerlei astronomische
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