Macabros 015: Phantoma - Tochter der Finsternis
glitten.
»Mit dir? Wohin?«
»Nach Afrika. Ich habe alles vorbereitet. Ich bin eigentlich
heute nur durch einen Zufall hier. Wenn es mich packt, setze ich mich
in das Flugzeug, fliege nach drüben und nehme an einer Safari
oder Elefantenjagd teil. Das macht viel Spaß.«
Sie hörte ihm aufmerksam zu. In ihren Augen flackerte ein
seltsames Licht, das ihm entging, weil er ihre Oberarme
küßte, ihren Nacken und sich langsam dem Ansatz ihrer
Brüste näherte.
»Vielleicht«, sagte sie, »vielleicht werde ich
mitkommen…«
Dann sprachen sie nicht mehr viel miteinander.
Wie ein Vulkan brach die Leidenschaft dieser Frau auf, der er von
einer Minute zur anderen verfallen war.
Aber selbst die Flut der Gefühle war Berechnung. Nur eine
Frau wie Phantoma war zu einem solchen Schauspiel fähig. Alles
bei ihr war Berechnung. Sie hatte einen Auftrag zu erfüllen. Sie
war die Tochter Mandragoras, der Herrin der Angst. Auf einem fernen
Planeten geboren, hatte sie Menschengestalt angenommen, um verlorenes
Terrain zurückzuerobern.
Kein Mensch auf der Erde wußte, daß ein
außerirdisches Wesen unter ihnen wandelte. Phantoma war ein
Teil der bösartigen Mandragora, die einst ihre körperliche
Erscheinung verloren hatte und nur noch reiner Geist war, dem viele
Völker auf der Erde und anderen bewohnten Planeten Tribut
zollten.
Phantoma lächelte still in sich hinein.
Sie mußte einflußreiche Männer kennenlernen, die
auf der Erde etwas zu sagen hatten, die Macht besaßen.
Auf diese Weise war sie gutgefahren im Laufe der letzten Wochen.
Zunächst einmal war es wichtig für sie gewesen,
unterzutauchen.
Es gab nur einen Mann auf der Erde, der ahnte, daß sie
existierte. Das war Björn Hellmark. Er war Zeuge geworden, wie
Mandragora eine irdische Frau in ihre Netze verstrickt und sich deren
Körper annektiert hatte. Mandragoras Geist war in den
Körper der Toten gefahren. Seit dieser Zeit existierte Phantoma,
die diesen Leib ihren Vorstellungen entsprechend geformt hatte.
Über Hamburg war sie nach London gekommen. Sie mußte
erst einmal aus dem Blickfeld verschwinden und ihre Machtzellen an
verschiedenen Orten errichten, um Sicherheit zu gewinnen.
Auf der Fähre nach England hatte sie den Schotten Brighton
kennengelernt, einen schwerreichen Mann. Der hatte sie mitgenommen in
sein abgelegenes Landhaus. Dort hatte er zu spät erkannt welche
Hexe er in sein Haus gebracht hatte.
Nun war Brian Shalfield an der Reihe.
Ja, sie würde mitkommen. Man sollte sich nie zu lange an ein
und demselben Ort aufhalten.
*
Madame Shong war eine einfache, zierliche Persönlichkeit. Ihr
Auftritt erfolgte später als zunächst angekündigt
worden war. Die Malaiin hatte darum gebeten.
Sie fühlte sich nicht disponiert. Man fürchtete schon,
daß nichts daraus würde.
Aber die Anwesenden faßten sich in Geduld.
Man rauchte und trank und diskutierte. Als versöhnende
Einlage hatte der Inhaber des »Dragon-Clubs« das hauseigene
Ballett auf die Bühne geschickt. Die Girls waren gut gewachsen,
eine Augenweide. Sie zeigten einen Strip, der kein bißchen
ordinär, dem Niveau des Clubs angepaßt war.
Der Inhaber des Clubs, Harry Felman, wußte, was er seinem
exklusiven Publikum schuldig war.
Gut gewachsen wie die Girls auf der Bühne waren auch
diejenigen, welche bedienten.
Die meisten Anwesenden waren Stammgäste.
Auffallend an diesem Abend war ein braungebrannter junger Mann mit
einem markant geschnittenen Gesicht. Er trug eine leicht dunkel
getönte Brille, als müsse er seine Augen vor dem grellen
Licht der Bühnenscheinwerfer schützen. Ein grauhaariger
Engländer mit einem Spitzbart ließ den Blick in die Runde
schweifen. »Der Blonde mit der Brille«, bemerkte er zu
seinem Nebenmann, der das Haar glatt nach hinten gekämmt hatte
und wie ein Dandy aussah, »ich habe ihn hier noch nie gesehen.
Wer ist das?«
Der Nebenmann war Stammgast im Club.
»Er kommt aus Genf, habe ich mir sagen lassen. Ist aber ein
Deutscher. Hellmark heißt er. Er scheint speziell wegen der
Shong gekommen zu sein. Er besitzt eine Identitätskarte, die ihm
die Türen der exklusivsten Clubs in aller Welt öffnet. Aber
er scheint nicht viel Wert auf Gesellschaft und Geselligkeit zu
legen. Führt ein bißchen ein Einsiedlerdasein.« Diese
Worte bewiesen, daß der Sprecher nicht viel über
Björn Hellmark wußte.
Der sympathische Besucher, fast der jüngste unter all den
Anwesenden, war alles andere als ein Einsiedler. Er stand mit beiden
Beinen im Leben,
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