Macabros 039: Im Verlies der Hexendrachen
rund um die Wüstensteppe beendete das Reich,
über dessen Grenzen sie nie hinausgekommen waren.
Niemand in Caal-Mag und in den anderen Gaafh-Städten, durch
die sie kamen, hatte jemals von Tschinandoah gehört…
An der Grenze des Landes verabschiedete Ogh sich, dem Fremden
dafür dankend, daß er ihm das Leben rettete.
Vor Hellmark lag ein neues, unbekanntes Land und neue, unbekannte
Abenteuer.
Und irgendwo in der unbekannten Ferne des Südens lag
Tschinandoah.
Würde er sein Ziel erreichen?
Daß die Aufgabe für ihn noch schwerer geworden war,
konnte er nicht wissen.
Die Frau an seiner Seite, der er ein Tor in die Welt der dritten
Dimension öffnen wollte, war eine schöne Hexe, die einen
Auftrag hatte.
Danielle de Barteaulieé wartete auf ihre Chance, Hellmark
zu töten…
*
Madame Dupont wartete zwei Tage ab.
Dann unterrichtete sie die Polizei vom Vorhaben ihres Mannes.
Eine Gruppe um Kommissar Levonne machte sich auf den Weg zum
Kap.
Und in einem düsteren und feuchten Keller fanden sie Jacques
Dupont. Er saß lallend und kichernd zwischen zwei
Drachenskeletten und führte zärtlich seinen Zeigefinger
über die einzelnen Knochen.
Der Franzose war bleich und matt, und der Irrsinn leuchtete ihm
aus den Augen.
»Das sind sie… die Hexendrachen…« empfing er
die Männer, die ihn gefunden hatten und sehr gefühlvoll mit
ihm umgingen. Dupont riß die Augen weit auf. »Der Fluch
des Comte und seiner Tochter… sie zeigt sich manchmal nackt,
draußen auf der Wiese… aber man darf nicht hinsehen…
wer sie sieht, ist von ihrer Schönheit geblendet… wer dann
zu ihr kommt, den verwandelt sie in einen Drachen… Pierre ist
einer geworden, das ist der kleine… der verrückte
Engländer hat seine Neugierde ebenfalls mit dem Tod
bezahlt… das ist der größere… sie waren mal
Menschen…«
Das gleiche behauptete er noch, als er längst in der Anstalt
war und man ihn beobachtete. Zwei Naturwissenschaftler nahmen sich
des Fundes im Geheimkeller der Schloßruine an.
Anfangs war jeder überzeugt, daß es sich um zwei Echsen
aus alter Zeit handelte, die irgendwann und irgendwie hier
heraufkamen. Doch hier fing das Rätselraten schon an. Und es
wurde noch größer, als man feststellte, daß die
Skelette gar nicht so alt sein konnten, wie sie es eigentlich der
Theorie nach hätten sein müssen.
Man verglich ihr Alter mit dem Skelett gleichaltriger Menschen und
kam zu einem erstaunlichen und erschreckenden Schluß: das
kleinere Skelett paßte dem Alter nach zu einem Jungen, der etwa
zwölf Jahre alt wäre, das größere Skelett zu
einem etwa sechsundzwanzig- bis achtundzwanzigjährigen
Erwachsenen!
Die Geschichte, die der wahnsinnig gewordene Jacques Dupont
allerdings von sich gab, mochte niemand so recht glauben…
*
Carminia Brado wunderte sich über die Stille, als sie an
Ranis Hütte vorbeikam.
Die schöne Brasilianerin warf einen Blick durchs Fenster.
Rani war nicht da. Auf dem Tisch lag ein Zettel.
Carminia riß sich zusammen und ließ sich ihr
Erschrecken nicht anmerken, denn gerade in diesem Moment kam Pepe auf
sie zu.
»Carminia!« rief er schon von weitem. »Hast du Rani
gesehen? Auch Chitra ist nirgends zu finden, obwohl ich sie schon
einige Male gerufen habe, kommt sie einfach nicht.«
Die Frau mit der Haut wie Sahnekaffee sagte nichts. Sie lief in
die Hütte. Auf dem Zettel standen nur wenige Zeilen.
»Ich kann ihn nicht allein gehen lassen. Der Weg, den er vor
sich hat, ist gefahrvoll. Ich muß bei ihm sein, wenn er Hilfe
braucht. Läßt’s euch gutgehen! Hier auf Marlos seid
ihr sicher! Bis bald! Rani und Chitra!«
»Oh, mein Gott! Laß es nicht wahr sein!«
Sie lief aus der Hütte, den Zettel einfach zu Boden fallen
lassend, und stürzte hinüber zum Eingang der
Geister-Höhle.
Das Tuch war seitlich über den großen Spiegel der Kiuna
Macgullyghosh gehoben. Im matten Glas spiegelte sich Carminia, gleich
darauf Pepe, der neben ihr auftauchte.
Carminia legte einen Arm um die Schulter des Jungen, mit der
anderen Hand zog sie das rote Tuch über die
Spiegelfläche.
»Ich muß dir etwas sagen. Pepe, etwas, das Björn
mir anvertraut hat, was auch Rani nicht wußte, als er sich
entschied, ihm nachzufolgen. Auch dir hat er es nicht gesagt: es gibt
kein Zurück, wenn jemand den Spiegel an dieser Stelle
durchschreitet. Es sei denn, Björn hat das Ziel erreicht, das er
anstrebt. Aber er selbst hat daran gezweifelt, ob er es diesmal
schaffen würde, was er sich vorgenommen
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