Macabros 044: Mirakel - Herr im Geisterland
Menschen betrafen, der sie berührte.
Diesen Versuch wollte Felkmann mit Frank Morell vornehmen.
Seit den frühen Abendstunden saßen der Hypnotiseur,
Frank Morell und Katja Manstein aus Dortmund zusammen.
Das Medium verstand es, charmant und fröhlich zu plaudern und
es unterschied sich in nichts von einem sogenannten normalen
Menschen, wie man das allgemein wohl annehmen könnte.
Im Gegensatz zu Felkmann und Morell trank Katja Manstein
allerdings nichts von dem Wein und griff auch nicht ein einziges Mal
nach den Knabbereien, die in Kristallschalen bereitstanden. Sie hatte
ein Glas klaren Sprudel vor sich stehen, von dem sie von Zeit zu Zeit
einen Schluck nahm.
Die Atmosphäre war fröhlich und aufgelockert, sie
enthielt nichts von Spannung, obwohl jeder von dieser Nacht etwas
Bestimmtes erwartete.
Felkmann erzählte aus seinem reichen Erfahrungsschatz, und
Frank Morell wurde von Katja gebeten, etwas aus seinem Arbeitsalltag
zu berichten. Sie hörte fasziniert zu, wie er erzählte, was
er tat, wie er praktisch Maschinen erfand – die
schließlich nach seinen Plänen gebaut wurden – und
auch funktionierten.
Sie lächelte ihm zu. Der Mann, der ihr
gegenübersaß, gefiel ihr.
Er wirkte frisch und natürlich. In seinem Antlitz zeigte sich
manchmal ein nachdenklicher, beinahe melancholischer Zug. Dann gewann
man als Zuschauer oder Zuhörer den Eindruck, daß Morell
mit seinen Gedanken ganz woanders war.
Katja Manstein wußte nichts über das Geheimnis dieses
Mannes. Zwischen Morell und Felkmann bestand ein stillschweigendes
Abkommen, hierüber in keinem Fall zu sprechen.
Die spektakulären Ereignisse in und um Frankfurt hatten in
der letzten Zeit einen gewissen Staub aufgewirbelt. Sowohl in den
Reaktionen der Zeitungen als auch in den Polizeirevieren waren
mehrere telefonische Hinweise von Passanten eingegangen, die steif
und fest behaupteten, in der letzten Zeit des öfteren einen
Menschen in einem rot schimmernden Anzug wie einen Geist in der Luft
über den Häusern der Stadt gesehen zu haben.
So absurd sich diese Hinweise zunächst anhörten, so
unsinnig aber schienen sie gar nicht zu sein, wenn man sich vor Augen
hielt, daß auch in den Kontrolltürmen sowohl des
Militärs – wie auch des Zivilflughafens auf den
Radarschirmen eine schnell vorüberfließende menschliche
Form – wie es in einem offiziellen Bericht hieß –
bemerkt wurde.
Das Rätselraten fing an. Eine Erklärung für einen
fliegenden Menschen gab es nicht. Und so hüteten sich selbst die
Blätter bisher sorgfältig, die es mit ihrer
Berichterstattung sonst nicht so genau nahmen und denen jede
Sensation willkommen war.
Doch wie lange diese Zurückhaltung noch anhielt, wagte auch
Morell nicht vorauszusagen. Manchmal meinte er, daß seine
Wohnung überwacht und die Wege, die er ging, ebenfalls
beobachtet wurden.
War man auf der Spur seiner Identität?
Das wäre das Schlimmste, was ihm hätte zustoßen
können. Niemand – außer Felkmann und nun
möglicherweise auch Katja Manstein, die gegen ihren Willen das
eine oder andere über sein Mirakel-Dasein erfahren würde
– sollte wissen, daß er eine Doppelrolle spielte.
Katja unterbrach sich plötzlich und sagte: »Ich glaube,
wir können den Versuch machen. Das Gefühl, daß etwas
zustande kommt, ist plötzlich in mir.«
Morell beugte sich nach vorn. Sie lächelte ihn an und ergriff
zärtlich seine Hand.
In dem gemütlich eingerichteten Salon, in dem Felkmann alte
Möbel und Teppiche aus seiner Sammlung wohlgeordnet ausgerichtet
hatte, herrschte plötzlich Totenstille.
Mit einem Seitenblick vergewisserte der Psychiater sich, daß
auf der Kommode die Polaroid-Kameras nebeneinander lagen. Jede Kamera
war mit einem frischen Film bestückt. In Ermangelung einer
eigenen Dunkelkammer wollte Felkmann jedoch so schnell wie
möglich das Ergebnis vor Augen haben, für den Fall,
daß es zu einer Gedankenfotografie Katja Mansteins kam.
Das Medium machte einen äußerst konzentrierten
Eindruck, und die frische, natürliche Hautfarbe wirkte noch
intensiver, als würde Katjas Haut in diesen Minuten stärker
durchblutet.
Sie sah Morell an, und er meinte, der Blick aus diesen
großen, schönen Augen würde sich bis auf den Grund
seiner Seele senken.
Dann bewegte Katja die Lippen. »Ich erblicke einen See…
Darin spiegelt sich eine Gestalt… Sie sind es, Morell… das
Wasser teilt sich, als ob sich ein Tor öffne – ich habe das
Gefühl, jetzt in einen tiefen Brunnen zu sehen. Die Tiefe
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