Macabros 105: Jagd auf den Horror-Götzen
Es gab keinen Ausweg mehr. Sie waren verloren.
Vor ihnen gähnten unüberbrückbare Abgründe,
hinter ihnen lauerten die Ungeheuer, die nur darauf warteten, sie wie
Vampire auszusaugen.
Die Szene hatte eine frappierende Ähnlichkeit mit einem
Alptraum.
Aber – es war keiner. Die Wirklichkeit hatte sie eingeholt,
eine Wirklichkeit, die so grauenhaft war, daß ihr Verstand sich
weigerte, sie anzuerkennen.
Rani Mahay, der treue Inder, und Danielle de Barteaulieé,
die alterslose, hübsche Französin, die Tochter des Comte de
Noir, starrten sich an.
»Dies – ist mein Triumph! Auch über euch! Die Macht
der Finsternis erstarkt. Denn diejenigen, die bisher bereit waren,
Leib und Leben für die Idee des Kampfes gegen uns einzusetzen,
sind dezimiert. Björn Hellmark, der Herr von Marlos, und
Carminia Brado befinden sich in meiner Hand. Nun seid ihr an der
Reihe…«
»Noch, Molochos, hast du uns nicht!« dröhnte Rani
Mahays Stimme durch die unwirkliche Welt, einer Dimension, in der im
wahrsten Sinn des Wortes Grauen und Wahnsinn zu Hause waren.
Denn außer den Ungetümen, die eine seltsame Mischung
zwischen riesigem Pilz und Kraken darstellten, waren noch Menschen
anwesend.
Doch was für Menschen!
Sie waren Mischmenschen zwischen Mensch und Tier, und das nicht
mal. Groteske, bizarre Geschöpfe, der kranken Phantasie eines
Malers entsprungen, der durch einen Spalt in den Vorhof der
Hölle geblickt und Dinge gesehen hatte, die sein Gehirn
schließlich nicht verkraften konnte.
Es waren Menschen darunter, die hatten Köpfe wie unheimliche
Vögel, waren behaart, hatten Hände und Klauen. Andere
hatten schwammige, teigige Gesichter, weiß wie gekalkt –
und farbiges Haar. Keiner war mehr richtig Mensch.
Rani und Danielle wußten auch, weshalb.
Molochos, der Fürst der Dämonen, der mit Riesenschritten
seine unheimliche Macht ausbaute, hatte ihr Denken und Fühlen
verändert. Und dies wiederum bewirkte auch körperliche
Veränderungen. In ihrer seltsamen, fremdartigen Bizarrheit
haftete diesen Molochos-Anbetern, die ihm völlig verfallen
waren, ihm mit Haut und Haaren gehörten, das personifizierte
Grauen an.
Nur eine noch war menschlich. Von einer Sinnlichkeit und
Schönheit, die berauschte. Das war Madame Fraque. Ihre Jugend
und Schönheit verdankte sie dem Dämonenfürsten. Mit
ihrem ›neuen‹ Körper war sie dazu ausersehen, Menschen
anzuziehen und ins Verderben zu locken. Wie eine schöne
Blüte war sie, der man zu spät ansah, daß sie eine
fleischfressende Pflanze war und ihr Opfer verschlang.
Mahay wandte den Kopf und blickte den Ungetümen und den
monsterhaften Menschen des Molochos’ ins Auge.
Der Inder und seine Begleiterin standen wie auf einer Insel.
Jenseits der Schächte, die schwarz und bedrohlich ins Nichts
führten, bildeten die Unheimlichen eine lebende Mauer. Die
pilzähnlichen ›Haustiere‹ Molochos’, die hier
ihre Heimat hatten, überragten die ›Menschen‹ um
etliches. In den pilzähnlichen Köpfen flackerten
bedrohliche, kaltglitzernde Augen, die langen Schleier sahen im
Halbdunkel aus wie pralle, satte Fangarme, die ringsum mit
Saugnäpfen besetzt waren. Unter dem › Pilzkopf ‹
selbst waren ebenfalls riesige Löcher und rohrartige
Auswüchse zu sehen, aus denen es blubberte und zischte wie aus
dem Schornstein einer Lokomotive.
Mahays Worte waren in der unheimlichen Atmosphäre noch nicht
verklungen, da konzentrierte der Inder sich auch schon auf die
grauenvollen Gestalten. Mahay besaß die Gabe, lebende
Geschöpfe willensmäßig zu beeinflussen. Mit dieser
Fähigkeit war er lange Jahre im Zirkus aufgetreten und hatte in
offener Manege ungezähmte Raubtiere mit seinem Willen bezwungen.
Bei Gefahr wendete er diese Gabe auch bei Menschen an. Und erst recht
bei derart finsteren Gestalten, die ihnen nun ans Leder wollten.
Er riskierte einen Ausfallversuch und konzentrierte sich auf das
größte Pilzmonster.
Er wollte, daß die Tentakelschleier durch die Luft
peitschten und die Unheimlichen davonfegten wie ein Wirbelsturm. Wenn
einige dabei in die endlosen Schächte mit den in galaktische
Tiefen führenden Treppen verschwanden – um so besser!
Dann nämlich konnte dies eine Kurzschlußreaktion der so
Bedrohten hervorrufen.
Und diese Handlung würde dann – so jedenfalls hoffte er
in seiner Ausweglosigkeit – darin bestehen, daß zumindest
einer der auf diese Weise Gereizten auf die Idee kam, das
›Tor‹ zur anderen Seite der Welt zu öffnen, das
für sie noch
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