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Machen Sie sich frei Herr Doktor!

Machen Sie sich frei Herr Doktor!

Titel: Machen Sie sich frei Herr Doktor! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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letztenmal gesehen zu haben?« fragte er sie liebevoll. »Horndean Hall kam mir immer wie ein Ort vor, wo alles regelrecht desinfiziert wird - einschließlich der Gedanken der jungen Mädchen. Die Kosten waren natürlich ruinös. Allerdings glaube ich, daß es in diesem Land der Höhepunkt des Snobismus ist, seine Kinder in eine kostenlose Schule zu schicken, wenn man es sich leisten kann, sie in eine Snob-Schule zu geben.« Er schleckte seine mit Ei bekleckerten Finger ab. »Direkt komisch, sich vorzustellen, daß du kein Schulmädchen mehr bist.«
    »In dieser schrecklichen Uniform hat sie schon seit Jahren lächerlich erwachsen ausgesehen«, sagte Josephine.
    »Natürlich muß man sagen, daß das, was in Horndean Hall heute erlaubt ist, zu meiner Zeit für skandalös gegolten hätte. Unsere Freiheiten beschränkten sich einzig und allein auf eine Extraportion Himbeereis an Samstagen. Damals gab es allerdings bloß Jungen und Mädchen, die mit einemmal zu Männern und Frauen wurden, und nicht diese lächerlichen Komplikationen mit Teenagern — «
    »Bitte, Lionel. Nicht schon wieder deine Begrüßungsansprache an die neuen Studenten.«
    »Dessen ungeachtet, Faith -« Der Dean hielt eine Schnitte tropfendes Brot vor dem Mund wie einen
    Spargel, »wirst du dir jetzt überlegen müssen, was für einen Beruf du ergreifen willst.«
    »Ich weiß es schon, Papa.« Sie hatte seit kurzem die Gewohnheit angenommen, mit einer heiseren, feierlich getragenen Stimme zu sprechen, so daß auch die Bitte um zwei Stück Zucker etwas Dramatisches bekam. Der Dean fragte sich, ob etwas mit dem Kehlkopf seiner Tochter nicht in Ordnung sei; vielleicht sollte man einen Halsspezialisten konsultieren.
    »Wirklich? Was?«
    »Ich will der Menschheit helfen.«
    Mit einem energischen Schlag öffnete der Dean sein zweites Ei.
    »Sehr lobenswert. Zwar hast du leider ausschließlich die Prüfungen in Handarbeiten und Kochen bestanden, und heutzutage müssen selbst die Pflegerinnen im St. Swithin ihre Ausbildung hochqualifiziert absolvieren. Mir ist es allerdings völlig unbegreiflich, wozu man akademische Qualifikationen braucht, um jemanden bequem auf die Leibschüssel zu setzen. Der Himmel weiß, was Florence Nightingale davon gehalten hätte. Wahrscheinlich eine Modesache. Was war dein Lieblingsgegenstand?«
    »Bürgerkunde. Miss Clitworth brachte uns alles über die Welt bei.«
    »Hm. Nun, ich werde veranlassen, daß du dich im St. Swithin nützlich machen kannst. Um sozusagen in die Abteilungen hineinzuriechen. Du kannst damit beginnen, die Königin zu sein.« Faith blickte erstaunt auf. »Morgen um punkt neun Uhr halte ich eine Probe der Eröffnungszeremonie ab. Du wirst Ihre Majestät darstellen.« Er trank den letzten Schluck Kaffee und stand auf. »Die Arbeit. Die vielen Vorbereitungen! Es bleibt mir kaum mehr ein Augenblick Zeit, um die Kranken zu behandeln. Hast du in Horndean Hall vielleicht irgendwelche Witze gehört? Natürlich anständige Witze, aber trotzdem komisch? Nein?«
    »Sicherlich kursieren in St. Swithin Dutzende anständige Witze«, schlug Josephine vor.
    »Möglich. Aber leider gehöre ich nicht zu den Leuten, denen man Witze erzählt«, schloß der Dean betrübt und ging hinauf.
    In seinem Schlafzimmer zog der Dean hellrote Strumpfhalter und ein Paar grüne Socken an. Seine Gesichtszüge trugen noch immer den Ausdruck Sir Walter Raleighs, ergänzt durch ein feines Lächeln, das Respekt, aber keine Unterwürfigkeit ausdrückte. »Eure Majestät sind zu gütig.«
    »Das war eine sehr amüsante Geschichte, Sir Lionel.«
    »Ich bin zutiefst dankbar, daß sie Eurer Majestät Gefallen gefunden hat.«
    »Sie können sich vorstellen, daß diese Eröffnungszeremonien im Laufe der Jahre ein wenig monoton werden.« - »Natürlich. Ich habe größtes Mitgefühl mit Eurer Majestät.«
    »Und ein wenig Heiterkeit erleichtert die Dinge immer, nicht wahr?«
    »Wie zutreffend, Majestät.«
    »Wenn ich nach Hause komme, muß ich die Geschichte wirklich meiner Familie erzählen.«
    »Das ist eine große Ehre für mich, zum Teufel, was ist denn jetzt schon wieder los?«
    Seine Frau rief die Treppe hinauf: »Du hast wieder Besuch, Lionel.«
    »Aber es ist ja noch nicht acht. Ein Mensch kann sich beim besten Willen nicht auf soziale Verpflichtungen konzentrieren, wenn er nicht sein Frühstück verdaut und seinen Darm entleert hat. Gut, gut. Ich komme schon.«
    Er zog seinen Morgenrock an, schlüpfte in die karierten Pantoffeln und eilte

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