Die Männer von Bravo Two Zero
Eins
Um 2 Uhr morgens Ortszeit am 2. August 1990 rollten irakische Panzer über die Grenze nach Kuwait. Nur
wenige Stunden später bereitete sich mein Regiment ebenfalls auf einen Wüsteneinsatz vor.
Als Angehörige einer Anti-Terror-Einheit in Hereford waren mein Trupp und ich nicht daran beteiligt. Wir sahen neidisch zu, wie die erste Abteilung von
Kameraden ihre Wüstenausrüstung abholte und losflog.
Unsere neunmonatige Dienstzeit hier näherte sich dem Ende, und wir freuten uns auf einen Wechsel, doch im Laufe der nächsten Wochen hörte man Gerüchte, daß
dieser entweder verschoben war oder gar nicht stattfinden würde. Meine Weihnachtsgans verspeiste ich in düsterer Stimmung. Ich wollte am Golf dabeisein.
Doch dann, am 10. Januar 1991, erhielt die Hälfte
unserer Abteilung den Befehl, sich für die Verlegung nach Saudi-Arabien drei Tage später bereitzumachen. Ich war erleichtert, daß mein Trupp dabei war. In aller Eile organisierten wir unsere Ausrüstung, reinigten und prüften die Waffen und rasten in die Stadt, um uns geeignete Stiefel und jede Menge Sonnencreme mit
Lichtschutzfaktor 20 zu kaufen.
Wir sollten früh am Sonntag morgen abfahren. Den
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Abend vorher ging ich mit meiner Freundin Jilly aus, aber es wurde nicht sehr lustig. Es war ein Abend voll gezwungener Fröhlichkeit, weil wir beide so angespannt waren.
»Gehen wir ein Stück spazieren«, schlug ich vor, als wir nach Hause kamen, in der schwachen Hoffnung, die Stimmung etwas zu verbessern.
Wir spazierten also ein paarmal um den Block, und als wir zurückkamen, stellte ich den Fernseher an. Es lief gerade Apocalypse Now . Da uns nicht nach Reden zumute war, hockten wir uns vor den Flimmerkasten.
Zwei Stunden Gemetzel und Gefechte waren allerdings kein gutes Beruhigungsmittel für Jilly. Sie brach in Tränen aus. Bisher hatte sie sich immer prima verhalten –
solange sie nichts von irgendwelchen gefährlichen
Situationen erfuhr. Sie wußte nur wenig über das, was ich tat, und hatte nie Fragen gestellt – weil sie, wie sie mir einmal gesagt hatte, die Antworten gar nicht wissen wollte.
»Ach, du mußt weg? Wann kommst du wieder?« war
eigentlich alles gewesen, was sie mich gefragt hatte.
Doch diesmal war es anders. Zum erstenmal wußte sie, wohin es ging.
Als sie mich am nächsten Morgen noch in der
Dunkelheit zur Kaserne fuhr, sagte ich: »Warum schaffst du dir nicht diesen Hund an, von dem du mir erzählt hast.
Dann hast du ein bißchen Gesellschaft.«
Ich hatte es gut gemeint, aber das führte nur zu
weiteren Tränen. Ich bat sie, mich ein Stück vor dem Haupttor abzusetzen.
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»Das letzte Stück gehe ich zu Fuß, Mädchen«, sagte ich mit gequältem Lächeln. »Ich brauch’ noch ein
bißchen Bewegung.«
»Bis dann also«, sagte sie und hauchte mir einen Kuß auf die Wange.
Wir waren beide nicht scharf auf eine lange
Abschiedszeremonie.
Das erste, was einem beim Betreten der
Mannschaftsquartiere auffällt, ist der Lärm: Lkw-
Motoren heulen auf, Männer brüllen nach verschiedenen Ausrüstungsteilen, und aus jedem Zimmer der
Junggesellen-Stuben dringt eine andere Musik – voll aufgedreht. Diesmal war alles noch lauter, weil so viele auf einmal losgeschickt wurden.
Ich traf mich mit Dinger, Mark dem Kiwi [Slang für Neuseeländer] und Stan, den anderen dreien in meiner Gruppe. Ein paar Kumpel, die nicht mit an den Golf zogen, waren auch da und beteiligten sich am
allgemeinen Zotenreißen und Aufschneiden.
Wir luden unsere Ausrüstung in Wagen und fuhren ans obere Ende des Lagers, wo der Transport darauf wartete, uns nach Brize Norton [Luftwaffenstützpunkt in England]
zu bringen. Wie immer nahm ich meinen Schlafsack mit ins Flugzeug, neben meinem Walkman, Wasch- und
Rasierzeug und Tauchsieder. Dinger hatte nur seine Stange Benson & Hedges dabei. Es wäre nicht das erstemal, wenn wir irgendwo in der Einöde abgesetzt würden oder tagelang auf einem gottverlassenen Flugfeld herumhängen müßten.
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Wir flogen mit einer VC10 der RAF [Royal Air
Force] . Ich rauchte an die 20 Zigaretten passiv mit, die Dinger sich auf dem siebenstündigen Flug reinzog, und meckerte die ganze Zeit darüber. Wie gewöhnlich hatten meine Klagen absolut keine Wirkung. Trotz seiner
ekelhaften Raucherei war er ein guter Kumpel. Dinger war ein ehemaliger Fallschirmjäger und Veteran des Falkland-Krieges. So sah er auch aus – rauhbeinig und zäh. Er hatte eine Stimme, die einem Angst einjagte, und einen noch härteren
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