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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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Gewissen, das anschließend langsam übergeht in Nervosität, weil ich heute Abend wieder mit Aylin verabredet bin. Größere Ängste sind immer praktisch, wenn man kleinere Ängste überwinden will.
     
    Vier Stunden später sitze ich in der Strandbar, die Aylin mir als Treffpunkt genannt hat. Nur eine kleine Bambushütte, davor sechs Tische, keine zehn Meter entfernt plätschern die Wellen sanft ans Ufer, und während die Sonne sich für heute mit einem postkartenreifen Farbenspiel verabschiedet, entzündet der Kellner einige Fackeln, die im Sand stecken – die perfekte Kulisse für ein romantisches Candle-Light-Dinner. Natürlich bin ichpünktlich. Natürlich ist Aylin nicht pünktlich. Dafür habe ich ein philosophisch höchst ergiebiges Gespräch mit dem Kellner.
    »Du Deutschland?«
    »Ja.«
    »Deutschland Wetter nixe gut.«
    »Ja.«
    »Wetter in Deutschland Rege kalt – immer friere.«
    »Ja.«
    »Türkei gut. Nixe Rege nixe kalt. Nixe immer friere.«
    »Ja.«
    Offensichtlich hat der Kellner den Eindruck, dass mir dieser Punkt noch nicht hundertprozentig klar geworden ist, deshalb führt er seine Argumentation weiter aus.
    »Deutschland immer Rege kalt immer friere. Nixe gut.«
    »Nein.«
    »Türkei andere. Isse warm. Nixe Rege nixe kalt.«
    »Ja.«
    »Deutschland nixe gut. Habe die Rege, habe kalte.«
    Jetzt habe ich den Ehrgeiz, aus den verschiedenen Aspekten des Diskurses eine Synthese zu bilden.
    »Man könnte also zusammenfassend festhalten, dass das Wetter in der Türkei besser ist als in Deutschland.«
    Er schaut mich ratlos an.
    »Ich meine: Wetter – in – Türkei – besser.«
    Der Kellner freut sich und bietet mir seine Hand zum High Five an. Ich war nie gut im Abklatschen, aber immerhin streife ich seinen kleinen Finger. Aylin ist schon wieder 32 Minuten und 45 Sekunden überfällig. Inzwischen weiß ich, dass der Kellner Birol heißt und mal zwei Jahre in Bochum gelebt hat – erstaunlicherweise fand er dort das Wetter nicht so toll. Seit ich mich für mein Bier auf Türkisch bedankt habe, nennt er mich Schwager. Das ist die berühmte türkische Gastfreundschaft, und ich könnte sie sicherlich mehr genießen, wenn mich nicht das dumme Gefühl beschleichen würde, dass ich diesmal doch versetzt werde.
    Dann werde ich abgelenkt von einer alten kleinen Rosenverkäuferin mit sehr dunkler faltiger Haut und höchstens noch drei Zähnen.
    »Du Rosse kaufe?«
    Wenn sie keine Rosen auf dem Arm gehabt hätte – ich würde sie für eine Pferdehändlerin halten.
    »Nein, danke.«
    Die Frau bleibt ungerührt stehen. Deshalb sage ich's sicherheitshalber noch mal auf Türkisch:
    »Hayır, tesekkürler.«
    Nichts passiert.
    »No, thank you. Non, merci. No, grazie.«
    Nichts passiert. Ich schüttle den Kopf. Ein universelles Zeichen. Denke ich ... Die Frau bleibt wie angewurzelt stehen.
    »Rott Rosse, kelb Rosse, weiss Rosse. Funf Öro.«
    »Nein, danke.«
    Sie bleibt stehen. Ich denke kurz darüber nach, ob sie mit »Öro« wirklich Euro gemeint hat, oder ob sie mich für einen Dänen hält und glaubt, dass ich mit Öre bezahle. 25 Öre, das sind doch diese Münzen mit dem Loch drin. Wär das lustig, wenn ich jetzt so eine dabei hätte. Aber ich fürchte fast, die nette Dame mit den drei Zähnen würde den Gag nicht kapieren. Tja. Die Frau steht übrigens immer noch an meinem Tisch.
    »Hier, Rosse.«
    Sie legt mir eine Rose auf den Tisch.
    »Nein, danke.«
    Sie schiebt mir die Rose hin. Ich schiebe sie weg. Sie schiebt sie hin. Ich schiebe sie weg. Sie schiebt sie hin. Ich schiebe sie weg. Sie schiebt sie hin ... So was hab ich seit dem Sandkasten nicht mehr erlebt.
    »Funf Öro.«
    Ich schiebe die Rose weg. Sie schiebt sie hin. Ich schiebe sie weg. Sie schiebt sie hin. Ich seufze.
    »Funf Öro.«
    »Nein, danke.«
    »Funf Öro.«
    »Hayır, tesekkürler.«
    »Funf Öro.«
    »No thank you.«
    »Vie Öro fönza.«
    Ohne den Kontext wäre ich nie darauf gekommen, dass »fönza« fünfzig bedeuten könnte. Vielleicht ist »fönza« auch ein türkisches Schimpfwort, das ich nicht kenne.
    »Nein, danke.«
    »Vie Öro.«
    »Nein.«
    »Vie Öro.«
    »No.«
    »Dra Öro fönza.«
    »No, thank you.«
    Ich schiebe die Rose weg. Sie schiebt mir jetzt zwei Rosen hin.
    »Sekk Öro.«
    »No!«
    »Funf Öro fönza.«
    »Nein.«
    Ich will keine Rosen kaufen. Sie denkt, ich will handeln. Ein Teufelskreis.
    »Vier Öro fönza.«
    »No. Nein. Non. Hayır.«
    Ich schiebe die Rosen weg. Sie legt jetzt den kompletten Strauß auf

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