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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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vertreiben, das war nicht schlecht. Aber eine Oma, die Rosen verkauft – das ist die Meisterklasse. Aylin schenkt mir ihr schönstes Lächeln.
    »Wenn du so weitermachst, wirst du noch ein echter türkischer Macho.«
    Ich lächle zurück – und habe ein für türkische Machos eher ungewöhnliches schlechtes Gewissen. Unfassbar: Ich habe eine arme alte Zigeunerin böse angegrunzt. Beziehungsweise eine Sinti oder eine Roma. Wenn mein Vater das gesehen hätte, würde er mich enterben. Obwohl, die einzigen größeren Werte meiner Eltern sind zwei hässliche Collagen eines alten Freundes, der inzwischen ein bekannter Künstler geworden ist, eine kleine Giacometti-Plastik und die Originalgitarre, mit der Wolf Biermann sein erstes West-Konzert gespielt hat. Außerdem lasse ich mir doch von meinem schlechten Gewissen nicht mein romantisches Candle-Light-Dinner kaputt machen.
    Ich konzentriere mich auf Aylin. Sie trägt ein schwarzes Minikleid, unter dem ein roter Spitzen-BH hervorschimmert. Die Flammen der Fackeln spiegeln sich in ihren Augen, und gut 70 Prozent von mir sind absolut hingerissen, während die anderen 30 Prozent darüber nachdenken, 50 Euro an einen Sinti-und-Roma-Hilfsfonds zu überweisen – dann springe ich auf, renne der Oma hinterher und kaufe eine Rose für acht Euro. 42 Euro gespart – wenn das kein Deal ist ... Als ich Aylin die Rose schenke, ist sie gerührt. Eine Träne kullert aus ihrem Auge.
    »Du bist unglaublich süß, Daniel. Weißt du das eigentlich?«
    Ich würde zwar unheimlich gerne als wilder Stier wahrgenommen werden, aber wenn es Aylin gefällt, bin ich auch sehr gerne süß. Kellner Birol kommt zum Tisch und will die Bestellung aufnehmen. Aylin meint, sie würde uns Birols Izmir Köfte empfehlen, die seien legendär. Ich stimme zu. Birol schaut mich weiter fragend an. Eine Pause entsteht. Ich dachte, es wäre klar geworden, dass wir Izmir Köfte essen wollen, aber irgendwas läuft falsch. Aylin schaut mich auffordernd an. Offensichtlich muss ich es Birol sagen.
    »Ja, dann, also, äh, zweimal Izmir Köfte, bitte.«
    »Kommt sofort, Schwager.«
    Birol verzieht sich. Und ich habe gelernt, dass Bestellen in der Türkei ein Männerjob ist. Aylin errät mal wieder meine Gedanken:
    »Wenn man als Paar essen geht, spricht der Kellner nur mit dem Mann.«
    »Klar, worüber sollte ein Kellner auch mit einer Frau sprechen? Monatsbeschwerden, Rosamunde-Pilcher-Filme, die Frisuren von Gwen Stefani... Da hat man unter Männern ja viel bessere Themen – das Wetter zum Beispiel.«
    »Quatsch. Das hat einen ganz anderen Grund.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Wenn er mit mir spricht, könntest du denken, er baggert mich an.«
    »Stimmt. Kein so abwegiger Gedanke.«
    »Aus solchen Anlässen können Schlägereien entstehen. Deshalb denken türkische Männer: Wenn ich gar nicht erst mit ihr rede, kann auch nichts passieren.«
     
    Eigentlich ziemlich praktisch, diese Türken. Auch wenn ich es für unwahrscheinlich halte, dass wir uns geprügelt hätten. Ich meine, nur weil einer sagt: »Zweimal Izmir Köfte, kommt sofort«, fange ich doch keine Schlägerei an.
    Und selbst wenn er Aylin vor meinen Augen schamlos angebaggert hätte, hätte ich wahrscheinlich auf die übliche Daniel-Art reagiert: erst mal in Ruhe drüber nachdenken, dann eine Woche später bei meiner Psychologin die Wut spüren und schließlich versuchen, mir die Eifersucht mit dem Mantra Eifersucht ist Dunkelheit und ich entzünde jetzt das Licht der Liebe wegzumeditieren. Wahrscheinlich ist 'ne Schlägerei doch irgendwie gesünder ...
    Aylin hatte recht. Die Izmir Köfte sind wirklich ein Gedicht: längliche Frikadellen mit Kartoffeln in einer leichten Tomatensoße – köstlich. Birol kommt und fragt, ob es schmeckt. Da ich ihn nicht mit den sprachlichen Feinheiten der deutschen Esskritik belästigen möchte (das feine Chili-Aroma geht mit dem Tomaten-Kartoffel-Sud eine vortreffliche Liaison ein, welche durch dieauf den Punkt kross gegrillten Frikadellen gekonnt kontrastiert wird), mache ich mich einfach international verständlich und grunze zufrieden:
    »Mmmmmmmmmmmmm ooooooh mmmmmmmm...«
    Aylin und Birol müssen spontan lachen. Offensichtlich bin ich Opfer eines kulturellen Missverständnisses geworden. »Mmmmmmm ooooooh mmmmm« heißt zwar auf Deutsch »sehr lecker«, aber auf Türkisch »Ich bin schwul«. Aylin klärt mich auf, dass die maximale Wohlfallensbekundung eines türkischen Mannes beim Essen in einem herzhaften Rülpser

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