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Macht der Toten

Macht der Toten

Titel: Macht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Hand mit sich selbst auf dem Flugfeld. Eigentlich eine amüsante Vorstellung. Aber der Anflug von Heiterkeit schwand so schnell, wie er ihn ereilt hatte. Jetzt war er sich nämlich gar nicht mehr so sicher, ob sich tatsächlich noch die Startbahn unter seinen Füßen befand.
    Schnee, kilometerweit nur Schnee. Wie in seinem Traum, jener Vision, die ihn an einen Ort entführte, an dem das Inferno bereits gewütet hatte. Ein Windstoß packte ihn, eine eisige Hand, die ihm inzwischen vertraut war. Seine Nackenhaare richteten sich auf. Eine Gänsehaut überzog seinen Körper. Er verspürte ein Kribbeln unter der Haut. Ein sanftes Flirren, als würde Energie durch ihn hindurchströmen.
    Philip blickte den anderen an. Dieser wies mit der freien Hand nach vorne. Da war nichts außer einer endlosen weißen Wüste, in der die Welt, wie Philip sie kannte, versunken war. Vernichtet. Zerfallen. Zermürbt vom beißenden Frost.
    Philip konnte nichts erkennen. Doch der andere deutete weiterhin nach vorne.
     
     
    Berlin
     
    Jakob Kahlscheuer traute seinen Augen nicht. Der Bruder – oder jene Person, die der Junge als seinen Bruder ausgegeben hatte – ergriff Philip Hader an der Hand. Doch anstatt mit ihm fortzulaufen, was unter diesen Umständen durchaus nachvollziehbar gewesen wäre, oder ihn zum Terminal zu bringen, wo die Beamten auf eine Erklärung warteten, standen die beiden still und starr auf dem Flugfeld. Als hätte der Winter endlich Macht über sie gewonnen und sie zu blassen Statuen gemacht.
    »Herr Hader, wir müssen…«, rief Kahlscheuer und sparte sich den Rest seiner Worte. Die beiden Männer hörten ihn nicht. Ihre Blicke waren seltsam entrückt, als hätten sie irgendwelche Drogen genommen und befanden sich auf einem Trip. Mehr als einmal hatte er in Neukölln Jugendliche im Kirchengebäude von St. Clara vorgefunden, meist am Morgen nach der Frühmesse, wenn das Haus den Gläubigen für eine stille Andacht offen stand. Die Kids hatten mit großen Pupillen auf den Bänken herumgelungert und voller Begeisterung über die einfachen Bilder gesprochen, die in schmucklosen Rahmen an einer Wand hingen, von der der Putz bereits abblätterte: irgendwie auch ein Sinnbild für den Leidensweg Christi.
    Aber hier und jetzt war nicht der Zeitpunkt für eine Bewusstseinserweiterung. Deshalb führte er die Hände an den Mund, formte mit den verkrampften Fingern einen Trichter und brüllte: »Bitte, beeilen Sie sich!«
    Wie zur Antwort zeigte der andere Mann nach vorne. Überrascht folgte Kahlscheuers Blick der Handbewegung. Da war nichts. Sosehr er seine Augen auch anstrengte, außer Schnee konnte er nichts erkennen.
    Er entschied, nicht länger zu warten. Schließlich hatte der Junge gebeten, ihm zu helfen. Und genau das hatte er jetzt vor. Der Junge musste mit den Sicherheitsbeamten sprechen. Er musste ihnen erzählen, was er wusste. Egal, woher er es wusste.
    »Herrgott, kommen Sie!« Kahlscheuer griff nach Philip, der noch immer an seinen Bruder geklammert dastand.
    Das hätte er nicht tun sollen. Kaum dass er ihn berührte, schoss ein Stromstoß durch seinen Leib. Erst dachte Kahlscheuer, es wären abermals die scheußlichen Krämpfe, die ihn heimsuchten. Er sah sich bereits vor Schmerzen im Schnee wälzen, während sich die Hose im Schritt allmählich nässte.
    Dann spürte er, dass es diesmal anders war. Das war nicht die Arthrose, sondern ein Vibrieren, das sich tief aus dem Erdkern schälte. Die Ankündigung eines Bebens. Er schenkte ihm keinerlei Beachtung, weil er die Menschen sah, die ihn jetzt umringten. Es waren unglaublich viele.
    Sein Glaube hatte ihn nicht auf sie vorbereitet.
     
     
    Berlin
     
    »Und, was haben Sie vor?« Beatrice erinnerte sich daran, wie Cato beim letzten Mal auf diese Frage reagiert hatte, ihre Wange brannte noch immer. Aber nach dem, was in der vergangenen Stunde zwischen ihnen vorgefallen war, würde er diesmal nicht die Beherrschung verlieren.
    Tatsächlich putzte er sich nur die Nase und zuckte die Achseln. Gedämpft durch das Taschentuch sagte er: »Wir müssen Ihren Bruder retten.«
    Sie sah ihn verblüfft an. »Wir?«
    »Wer sonst?«
    »Ich.«
    »Nein«, wehrte er ab. »Ich komme mit.«
    »Und wenn ich Sie nicht mitnehme?«
    Seine Miene wurde wieder ernst. Mit der Hand beschrieb er einen Bogen, der die ganze Armseligkeit der Kammer umfasste, und deutete schließlich mit dem Zeigefinger auf die schwere Metalltür. »Ich möchte Sie nicht daran erinnern müssen, dass Sie noch immer

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