macht Urlaub
könnte. Ich werde wohl eine Nachricht in seinem
Motel hinterlassen müssen. Sechs Tage, meinen Sie? Was muß
ich mitnehmen?«
»Nur sich selbst, so harmlos aussehend und auf naive
Touristin getrimmt, wie möglich. Und Ihren Reisepaß wenn Sie
ihn mir gleich mitgeben, fahre ich am jordanischen Konsulat in
New York vorbei und lasse ein Visum eintragen; Sie brauchen
es für die Einreise.« Sie zog ihren Reisepaß aus einer
Schreibtischlade und reichte ihn Farrell. Er schlug ihn auf und
grinste. »Emily Reed-Pollifax... Wissen Sie, wir fühlen uns
immer noch ein wenig für diese Heirat verantwortlich. Wenn
wir Sie nicht nach Sambia gesandt hätten - stellen Sie sich nur
vor! -, hätten Sie Ihren kühnen Cyrus Reed vielleicht nie
kennengelernt!«
»Genau das ist der Grund«, sagte Mrs. Pollifax mit einem
verschmitzten Zwinkern, »daß ich Ihnen immer noch jedes
Weihnachten ein Früchtebrot schicke.«
Farrell lachte. Er steckte den Paß ein, zögerte und fügte
schließlich entschuldigend hinzu: »Da ist noch etwas... Es ist
bedauerlich, aber für unseren Besuch morgen abend werden Sie
leider angemessen verkleidet sein müssen.«
»Verkleidet!« rief sie. »Meinen Sie das ernst? In New York
City? Großer Gott, warum?«
»Zum Schutz der Exiliraker, Herzogin, nicht unserem. Auch in New York gibt es politische Anschläge: Jemand wird vor die U-Bahn gestoßen, von einem Auto überfahren oder in einer Gasse erschossen und seiner sämtlichen Papiere beraubt. Diese
Leute werden häufig überwacht.«
»Von der CIA?« fragte sie bestürzt.
Er schüttelte den Kopf. »Doch nicht vom FBI?«
»Nein«, erwiderte er leise. »Von ihnen, Herzogin.« Sie wollte
sagen: Aber hier ist Amerika, Farrell, unterließ es dann jedoch,
denn ihr wurde bewußt, daß Amerika nicht mehr immun gegen
Terrorismus und Bomben war. Nach einem Blick auf seine
Armbanduhr setzte Farrell seine Kaffeetasse ab und erhob sich.
»Wir treffen uns morgen um sechzehn Uhr dreißig am
Informationsschalter in der Grand Central Station. Das Flugzeug
geht um einundzwanzig Uhr.« Er beugte sich vor und küßte sie
auf die Wange. »Danke, Herzogin. Und grüßen Sie Cyrus von
mir.«
Ehe sie weitere Fragen stellen konnte, hatte er nach seiner
Aktentasche gegriffen und war zur Tür gegangen. »Nicht
vergessen, morgen um sechzehn Uhr dreißig.« Die Tür schloß
sich hinter ihm. Er war fort, und sie grübelte darüber, was aus
dieser Welt geworden war, und über einen mysteriösen
Exiliraker, den sie morgen kennenlernen würde.
Aber jetzt war heute. Sie mußte sich sofort eine Nachricht für
Cyrus einfallen lassen, die ihn nicht in Sorge versetzen würde.
Und sollte sie Jordanien erwähnen, wo er sich doch schon
immer danach gesehnt hatte, die Ruinen von Petra zu sehen? Sie
mußte packen und Mr. Lupacik anrufen, damit er nach dem
Haus sah, solange niemand hier war... Sie seufzte, und dann kam
ihr der erfreuliche Gedanke, daß sie nun endlich ihren gewagten
neuen Hut tragen konnte, der dicht an dicht mit rosa und gelben
Rosen bestückt war.
2
Auf dem Schild über dem Laden stand WILKINS AG. Es war ein schäbiges Schild in einer schäbigen Straße in Manhattan. Am Fenster darunter versprach ein zweites Schild in goldenen Lettern: HÖCHSTPREISE BEIM ANKAUF VON GOLD UND SILBER.
Die Stadtstreicherin, die einen Einkaufswagen voll Plastikbeutel und leerer Coladosen schob, blickte zu dem Schild hinauf und zögerte; der Mann, der ihr in einiger Entfernung folgte, beschleunigte seinen Schritt, holte sie ein und hielt die Ladentür weit auf. Der Mann, der Einkaufswagen und die Frau verschwanden im dunklen Innern. Die Tür schloß sich hinter ihnen, und die Straße war wieder menschenleer.
Im dunklen Laden ließ Mrs. Pollifax den Wagen los und sagte verärgert: »Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe Angst, daß diese alten Sachen nicht ganz ungezieferfrei sind, Farrell. Es ist die peinlichste Verkleidung, die ich je getragen habe. Ich habe das Gefühl, daß ich mich bei jeder echten Pennerin in der Stadt entschuldigen sollte.«
»Sie sind verweichlicht, Herzogin.« Farrell schüttelte den Kopf. »Als Sie aus Albanien rauskamen, wimmelten Sie nur so von Läusen, haben Sie das vergessen? Entspannen Sie sich!«
»Ja, aber wo sind diese mysteriösen Leute? Hier ist kein
Mensch, Farrell!«
»Bestimmt vergewissern sie sich, daß uns niemand gefolgt ist
oder gesehen hat, daß wir hier hereingingen.«
Das ist zweifellos ein sehr lehrreicher Abend, dachte Mrs. Pollifax und erinnerte sich
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