Machtspiele: Die Kunst, sich durchzusetzen (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
bekanntlich auch für Kraft und Energie. Und ein "Leader" ist nun geradezu das Gegenteil von einem kalten und berechnenden Machtmenschen. Er ist ein Vorbild, charakterlich integer und menschlich beeindruckend. Er wendet keine Macht an, sondern er "begeistert" und "inspiriert" die anderen, etwa im Sinne des Bismarckschen Bonmots, unter seiner Führung könne jeder tun, was er (nämlich Bismarck) wolle. Und das bitte noch im Glücksrausch.
Das Streben nach Macht und die Anwendung von Macht hat hingegen immer etwas Unanständiges und Anmaßendes. Wer erkennen lässt, dass es ihm um die Macht geht, der erregt Argwohn und Abneigung. Wir halten ihn für egoistisch, brutal, gewissenlos, mit einem Wort: für machthungrig. Solchen Menschen trauen wir nicht über den Weg und wir versuchen, uns ihrem Einfluss zu entziehen. Wenn wir ihnen folgen, dann weil wir sie für stark halten und uns von ihrer Rücksichtslosigkeit Vorteile erhoffen oder weil wir im Machtkampf bereits kapituliert haben. Aber auf Sympathie und Vertrauen kann so ein Machtmensch nicht bauen. Vielmehr muss er mit Widerstand rechnen, mit Misstrauen, mit geheimen Gegenbündnissen. Und mit unverhohlener Schadenfreude, wenn er scheitert.
Wie passt das zusammen? Wie kommt es zu dieser gespaltenen Einschätzung? Was wir an der Macht bewundern, das ist ihre Stärke. Und was wir anerkennen, das ist die Macht, die sich bereits durchgesetzt hat und mit der wir uns arrangieren können (oder auch müssen), die arrivierte Macht. Was wir nicht in Frage stellen, das ist die Macht, die unseren Interessen dient und Ziele verfolgt, die wir teilen. Einen mächtigen Verbündeten wollen wir eher stärken als schwächen, auch wenn er in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich ist. Und unsere eigene Macht empfinden wir schon gar nicht als Bedrohung. Vielmehr schützt sie uns und gibt uns die Möglichkeit, etwas nach unseren Vorstellungen zu gestalten. Eigentlich hätten wir gern mehr davon und nicht weniger. Was uns so bedenklich, ja gefährlich erscheint, das ist die Macht, die sich gegen uns und unsere Interessen kehren könnte. Und genau das ist zu befürchten, wenn ein anderer nach Macht strebt. Oder schlimmer noch: Wenn ein anderer seine Macht uns gegenüber ausspielt.
Freiheit und Abhängigkeit
Der Zuwachs an Macht auf der einen Seite bedeutet Einschränkung von Freiheit auf der anderen Seite. Im Klartext: Wer die Macht hat, hindert die anderen daran, das zu tun, was sie wollen. Sie müssen sich seinem Willen fügen. Das kann manchmalsehr quälend sein, etwa wenn von jemandem verlangt wird, gegen seine Überzeugung zu handeln, in aller Öffentlichkeit Unsinn zu reden oder Projekte zu verfolgen, die zum Scheitern verurteilt sind, die sein Chef aber für eine "interessante Idee" hält.
Andererseits ergeben sich durch ein Abhängigkeitsverhältnis neue Freiheiten. Wir können Dinge tun, für die wir nicht voll verantwortlich zu machen sind. "Obwohl beide Seiten handeln, wird das, was geschieht, dem Machthaber allein zugerechnet", spitzt der Systemtheoretiker Niklas Luhmann diesen Sachverhalt zu. Das heißt nicht, dass der Vorgesetzte die Fehler seines Mitarbeiters ausbaden muss (obwohl das auch vorkommt, aber dann kann sich der Mitarbeiter keineswegs entspannt zurücklehnen, denn er trägt immer auch einen Teil der Verantwortung). Vielmehr verschafft ihm sein Abhängigkeitsverhältnis ungeahnte Möglichkeiten gegenüber Dritten (→ Verhandlungsspiele "Mein gnadenloser Boss", "Low Ball", Seite 127 bzw. 150). Er kann sich immer darauf berufen, er selbst würde es ja gerne anders machen, aber der Chef, "dieser harte Hund", würde ihn damit nicht durchkommen lassen.
Selbstachtung und Selbstbehauptung
Jede Ausübung von Macht stellt denjenigen, der sich dem Willen des anderen beugen soll, vor ein gewisses Problem: Wie behalte ich meine Selbstachtung, wenn ich nicht selbst darüber bestimme, was ich tue, sondern mich einem fremden Willen unterwerfe? Ich kann mich von der ganzen Sache distanzieren und sie nicht als meine Angelegenheit betrachten. Was der andere will, dafür bin nicht ich verantwortlich, auch wenn ich es in die Tat umsetze. Das ist eine weit verbreitete (und häufig auch die einzig angemessene) Haltung, vor allem in verfestigten und hierarchisierten Machtbeziehungen – und wenn es nicht gerade darum geht, ein Verbrechen zu begehen: Die Anweisungen meines Chefs kann ich befolgen, sogar wenn ich persönlich sie für Blödsinn halte. Sie sind nicht "mein Bier". Um
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