Vorwort
"Bei Schimpansen geschieht es nicht selten, dass ein verletzter Anführer doppelt so viel Energie in seine Drohgebärden steckt wie vorher und damit die Illusion erzeugt, in ausgezeichneter Verfassung zu sein."
Frans de Waal: Der Affe in uns
Machtspiele sind alltäglich. Ob im Beruf, in der Partnerschaft, unter Freunden, bei der Kindererziehung, im Straßenverkehr oder auch in der Affenhorde, nahezu überall können wir die Erfahrung machen: Viele setzen ihren Willen nicht "einfach so" durch, weil sie die Stärkeren sind oder die amtliche Erlaubnis haben, sondern weil sie tricksen, weil sie drohen, weil sie bluffen, weil sie das eine sagen und das andere meinen. Weil sie so tun, als würden sie nachgeben, und in Wirklichkeit nehmen sie uns die Dinge aus der Hand. Weil sie es verstehen, uns zu beeindrucken. Weil sie unsere Gefühle für sich ausnutzen. Weil sie uns vor anderen anschwärzen. Weil sie uns vereinnahmen, weil sie uns einschüchtern und weil sie uns bei unserer Eitelkeit packen. Und wir? Wir halten es mit unseren Mitmenschen im Prinzip nicht viel anders. Denn auch wir wollen unseren Willen durchsetzen. Wir wollen nicht die Dummen sein, sondern die Schlauen. Und deshalb mischen wir mehr oder weniger geschickt mit – bei diesen Machtspielen.
Genau darum soll es in diesem Buch gehen: Um die bunte Vielfalt alltäglicher Machtspiele. Sie erfahren, was es mit der "Kunst der Drohung" auf sich hat, wie Ihr Chef Sie "durch Lob verbrennen" kann, wie manche die Schuldgefühle ihrer Mitmenschen in eine sprudelnde Machtquelle verwandeln, warum das Prinzip "Eigenverantwortung" Sie in eine noch größere Abhängigkeit verstricken kann und vieles, vieles mehr. Dabei hat dieses Buch eine doppelte Zielrichtung: Zunächst einmal sollen Sie verstehen, wie solche Machtspiele ablaufen, wie die Spielregeln sind und wie Sie diese Spiele für sich nutzen können. Denn Machtspiele müssen keineswegs immer nur schlimm, unmoralisch und böse sein, sie können auch legitim, sportiv, ja geradezu charmant sein. Aber es gibt natürlich auch eine dunkle Seite, die keineswegs unterschlagen werden soll. Denn Machtspiele können Sie regelrecht zerstören, wenn Sie sich nicht zu helfen wissen. Und daher ist zweite Zielrichtung dieses Buchs aufzuzeigen, wie Sie auf die Machtspiele der anderen reagieren können: Sollen Sie, müssen Sie mitspielen, oder können Sie das Spiel durchkreuzen? Welche Möglichkeiten Ihnen offen stehen, hängt stark vonIhrer Position im Machtgefüge ab. Und diese Position können Sie wiederum verändern, nach oben oder unten – durch Machtspiele.
Bevor wir uns aber mit diesen Spielen beschäftigen, müssen wir erst einmal klären, was wir unter Macht verstehen. Dieser Frage ist das erste Kapitel gewidmet. Darauf aufbauend wird uns beschäftigen, was Machtspiele auszeichnet und ob es auch einen Umgang mit Macht "ohne Spiel" geben kann. Die folgenden Kapitel stellen die verschiedenen Machtspiele vor: Von den "Grundspielen" bis zu den "Foulspielen", von den "Boss-Spielen" bis zu den "Mitarbeiterspielen", denn natürlich treiben auch die Mitarbeiter mit ihrem Vorgesetzten ihre Spiele.
Die Grundidee für dieses Buch entstand vor sieben Jahren. Damals habe ich für den Bayerischen Rundfunk eine dreiteilige Hörfunkreihe zum Thema Machtspiele geschrieben. Seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Für dieses Buch habe ich mehr als vierzig Interviews und Hintergrundgespräche geführt mit Führungskräften, Wissenschaftlern und Mitarbeitern aus den verschiedensten Branchen und Hierarchieebenen. Ihre Berichte und Informationen waren das Rohmaterial, aus dem ich die hier versammelten Spiele extrahiert habe. Ich habe mich bemüht, eine möglichst große Spannbreite einzufangen, was natürlich nicht heißt, dass irgendeine Form von Vollständigkeit angestrebt war. Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, umso vielfältiger ist es mir erschienen. In jedem neuen Interview habe ich Neues hinzugelernt. Daher bitte ich Sie: Wenn Sie mir Ihre eigenen Erfahrungen mit Machtspielen mitteilen möchten, schreiben Sie mir eine Mail an:
[email protected] .
Ein letzter Punkt: Machtspiele werden von beiden Geschlechtern gespielt, auch wenn ich – allein wegen der besseren Lesbarkeit – meistens die männliche Form verwendet habe.
Und damit wünsche ich viel Vergnügen beim Lesen.
München im Februar 2007, Matthias Nöllke
Was ist Macht?
"Wenn nötig, zögere nicht, deine eigene Mutter zu verkaufen, um