Machtspiele: Die Kunst, sich durchzusetzen (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
Gefühle aller Schattierungen: Stolz, Angst, Ärger, Freude, Zuneigung, Trauer und – bei unserem Thema doppelt und dreifach zu unterstreichen – Schuld und Scham. Nach Ansicht vieler Psychologen werden wir vor allem von unseren Gefühlen gesteuert, wir können kaum anders, als ihnen zu gehorchen. Wer Macht über andere gewinnen möchte, hat daher einen enormen Vorteil, wenn er es versteht, auf der Klaviatur ihrer Gefühle zu spielen.
Um bei dem eben entwickelten Modell zu bleiben: Die Fähigkeit, meine Gefühle zu beeinflussen, gehört ohne Zweifel zur ersten Machtquelle, die ich vorgestellt habe: Ressourcen, mit denen Sie mir Unannehmlichkeiten bereiten können, wenn ich nicht das tue, was Sie wollen. Ich werde traurig oder wütend, bekomme Angst, schäme mich oder fühle mich schuldig. Die positive Kehrseite davon lautet: Wenn ich Ihren Wünschen nachkomme, fühle ich mich gut. Ich empfinde Stolz, Erleichterung oder Freude.
Allerdings ist der menschliche Gefühlshaushalt kompliziert genug, dass es so einfach nun auch wieder nicht ist, hier steuernd einzugreifen. Es gibt widerstreitende Gefühle, gemischte Gefühle, Stimmungsschwankungen und immer wieder überraschende emotionale Reaktionen. Zudem ticken die Menschen sehr unterschiedlich. Was dem einen Angst einjagt, hält der andere für eine reizvolle Herausforderung. Während der eine von heftigen Schuldgefühlen geplagt wird, wenner jemanden gekränkt hat, wird der andere in solchen Fällen von wohligen Glücksgefühlen durchflutet. Einigkeit besteht aber ganz gewiss in einem Punkt: Wenn wir entdecken, dass jemand unsere Gefühle manipulieren will, reagieren wir äußerst verstimmt. Das Gleiche gilt für den Fall, dass wir merken, wie jemand seine eigenen Gefühle nur taktisch einsetzt, sie also nur simuliert. So jemand ist nicht authentisch – und er ist nicht vertrauenswürdig.
Nun spielen wir aber alle ein wenig mit den Gefühlen der anderen und auch mit unseren eigenen, wenn wir Einfluss nehmen wollen. Wir verbergen Emotionen, wir übertreiben sie oder täuschen sie auch mal vor. In bescheidenem Rahmen wird das durchaus toleriert, ja erwartet und mit ins Kalkül gezogen. Dass wir alle nicht immer authentisch und ehrlich sind, ist die erste Voraussetzung dafür, dass wir miteinander auskommen. Es wirkt als soziales Schmiermittel. Problematisch wird es da, wo große Gefühle ins Spiel kommen, wo die emotionale Betriebstemperatur steigt und die Distanz zwischen uns dahin schmilzt. Wer da noch an den Gefühlen herumschraubt, Zuneigung, Scham, Wut und Hass für seine Zwecke einspannt, geht ein hohes Risiko ein. Auf der anderen Seite beginnt es erst hier für manche Machtmenschen interessant zu werden. Denn wer diese Gefühle zu lenken versteht (seine eigenen und die der anderen), dem eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten, seine Mitmenschen wie Spielfiguren hin und her zu schieben, unter der Voraussetzung natürlich, dass die seine Manöver nicht durchschauen. Er kann sie gegen andere aufhetzen, ihnen Schuldgefühle einpflanzen oder sie dadurch unter Druck setzen, dass er von ihnen "zutiefst enttäuscht" ist, weil sie nicht getan haben, was er wollte (→ Das Enttäuschungsspiel, Seite 209).
Glücklicherweise scheinen viele bei diesem doppelbödigen Spiel ihre Fähigkeiten zu überschätzen und führen sich am Ende mit ihren Allmachtsfantasien selbst an der Nase herum. Denn schließlich sollte eines nicht unter den Tisch fallen: Auch derjenige, der Macht über andere gewinnen will, wird von Gefühlen getrieben – nicht nur von Machtgefühlen. Auch er hat Ängste, Sehnsüchte, ist anfällig für Scham- und Schuldgefühle. Ja, das, was er will – seine Interessen –, die er anderen gegenüber durchsetzen möchte, werden ganz erheblich durch seine Gefühle beeinflusst, an denen wiederum andere drehen könnten. Sind keine Gefühle im Spiel, dann besteht allerhöchste Alarmstufe. Es gibt kaum etwas Schlimmeres, als einem Menschen in die Hände zu fallen, der seine eigenen Gefühle nur taktisch einsetzt und innerlich eiskalt ist (mehr dazu im Kapitel "Foulspiele", Seite 213).
Die Flüchtigkeit von Macht
Im beruflichen Zusammenhang gilt Macht häufig als eine Eigenschaft, die ein Mensch bekommen kann wie einen Dienstwagen. Mächtig ist beispielsweise jemand, der eine bestimmte Führungsposition innehat. Und mächtig bleibt er, bis er diese Position wieder aufgibt. Doch diese Vorstellung führt ein wenig in die Irre. Denn ob im Beruf, in der Partnerschaft
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