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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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allmählich (just wie sich abgestandner Wein zu Essig wandelt)
mürrisch, zänkisch und nervös geworden. Ohne zu klagen, hatte sie
viel gelitten, wenn sie immer wieder sah, wie ihr Mann hinter allen
Dorfdirnen her war und abends müde und nach Fusel stinkend aus
irgendwelcher Spelunke zu ihr nach Haus kam. Ihr Stolz hatte sich
zunächst mächtig geregt, aber schließlich schwieg sie, würgte ihren
Grimm in stummem Stoizismus hinunter und beherrschte sich bis zu
ihrem letzten Stündlein. Sie war unablässig tätig und immer auf dem
Posten. Sie war es, die zu den Anwälten und Behörden ging. Sie
wußte, wenn Wechsel fällig waren; sie erwirkte ihre Verlängerung.
Sie machte alle Hausarbeiten, nähte, wusch, beaufsichtigte die
Arbeiter und führte die Bücher, während der Herr und Gebieter sich
um nichts kümmerte, aus seinem Zustande griesgrämlicher
Schläfrigkeit nicht herauskam und sich höchstens dazu ermannte,
seiner Frau garstige Dinge zu sagen. Meist hockte er am Kamin,
qualmte und spuckte ab und zu in die Asche.
    Als ein Kind zur Welt kam, mußte es einer Amme gegeben werden;
und als es wieder zu Hause war, wurde das schwächliche Geschöpf
grenzenlos verwöhnt. Die Mutter nährte es mit Zuckerzeug. Der Vater
ließ es barfuß herumlaufen und meinte höchst weise obendrein, der
Kleine könne eigentlich ganz nackt gehen wie die Jungen der Tiere.
Im Gegensatz zu den Bestrebungen der Mutter hatte er sich ein
bestimmtes männliches Erziehungsideal in den Kopf gesetzt, nach
welchem er seinen Sohn zu modeln sich Mühe gab. Er sollte rauh
angefaßt werden wie ein junger Spartaner, damit er sich tüchtig
abhärte. Er mußte in einem ungeheizten Zimmer schlafen, einen
ordentlichen Schluck Rum vertragen und auf den »kirchlichen
Klimbim« schimpfen. Aber der Kleine war von friedfertiger Natur und
widerstrebte allen diesen Bemühungen. Die
Mutter schleppte ihn immer mit sich herum. Sie schnitt ihm
Pappfiguren aus und erzählte ihm Märchen; sie unterhielt sich mit
ihm in endlosen Selbstgesprächen, die von schwermütiger
Fröhlichkeit und wortreicher Zärtlichkeit überquollen. In ihrer
Verlassenheit pflanzte sie in das Herz ihres Jungen alle ihre
eigenen unerfüllten und verlorenen Sehnsüchte. Im Traume sah sie
ihn erwachsen, hochangesehen, schön, klug, als Beamten beim
Straßen- und Brückenbau oder in einer Ratsstellung. Sie lehrte ihn
Lesen und brachte ihm sogar an dem alten Klavier, das sie besaß,
das Singen von ein paar Liedchen bei. Ihr Mann, der von gelehrten
Dingen nicht viel hielt, bemerkte zu alledem, es sei bloß schade um
die Mühe; sie hätten doch niemals die Mittel, den Jungen auf eine
höhere Schule zu schicken oder ihm ein Amt oder ein Geschäft zu
kaufen. Zu was auch? Dem Kecken gehöre die Welt! Frau Bovary
schwieg still, und der Kleine trieb sich im Dorfe herum. Er lief
mit den Feldarbeitern hinaus, scheuchte die Krähen auf, schmauste
Beeren an den Rainen, hütete mit einer Gerte die Truthähne und
durchstreifte Wald und Flur. Wenn es regnete, spielte er unter dem
Kirchenportal mit kleinen Steinchen, und an den Feiertagen
bestürmte er den Kirchendiener, die Glocken läuten zu dürfen. Dann
hängte er sich mit seinem ganzen Gewicht an den Strang der großen
Glocke und ließ sich mit emporziehen. So wuchs er auf wie eine
Lilie auf dem Felde, bekam kräftige Glieder und frische Farben.
    Als er zwölf Jahre alt geworden war, setzte es seine Mutter
durch, daß er endlich etwas Gescheites lerne. Er bekam Unterricht
beim Pfarrer, aber die Stunden waren so kurz und so unregelmäßig,
daß sie nicht viel Erfolg hatten. Sie fanden statt, wenn der
Geistliche einmal gar nichts anders zu tun hatte, in der Sakristei,
im Stehen, in aller Hast in den Pausen zwischen den Taufen und Begräbnissen. Mitunter, wenn er keine
Lust hatte auszugehen, ließ der Pfarrer seinen Schüler nach dem
Ave-Maria zu sich holen. Die beiden saßen dann oben im Stübchen.
Mücken und Nachtfalter tanzten um die Kerze; aber es war so warm
drin, daß der Junge schläfrig wurde, und es dauerte nicht lange, da
schnarchte der biedere Pfarrer, die Hände über dem Schmerbauche
gefaltet. Es kam auch vor, daß der Seelensorger auf dem Heimwege
von irgendeinem Kranken in der Umgegend, dem er das Abendmahl
gereicht hatte, den kleinen Vagabunden im Freien erwischte; dann
rief er ihn heran, hielt ihm eine viertelstündige Strafpredigt und
benutzte die Gelegenheit, ihn im Schatten eines Baumes seine
Lektion hersagen zu lassen. Entweder war es

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