Madame de Maintenon
Schotten William Paterson und einer Gruppe reicher Anleger, die vor kurzem als The Governor and Company of the Bank of England eingetragen worden waren, eine Million Pfund geliehen. Und in Paris hatte es ein besonders wichtiges Ende gegeben: Die Herren von der Académie Française hatten endlich ihr großes Dictionnaire vorgelegt, das erste, vor fünfundfünfzig Jahren in Angriff genommene Wörterbuch in französischer Sprache. Im August 1694 wurde es dem König vorgestellt, von Jacques Tourreil, dem berühmten Übersetzer des Demosthenes und Inhaber des Sessels Nummer 40 in der Académie. Von der Anwesenheit seines Herrschers und dem historischen Charakter des Anlasses beflügelt, hielt Monsieur Tourreil nicht weniger als dreißig Ansprachen, bevor er die Bände schließlich überreichte. »Messieurs«, soll Ludwig erwidert haben, »wir haben uns auf den Abschluß dieses Werkes schon lange gefreut …«
Epilog
Der Leichnam von Madame de Maintenon war nicht zur letzten Ruhe gebettet worden. Siebzig Jahre später, im Sommer 1789, kündigten Unruhen in Paris den Beginn der großen Revolution an, die das Leben des alten Regimes, das auch das von Françoise war, für immer zunichte machen sollte.
In dem antiklerikalen Taumel der Revolution wurden alle »Häuser der Religion« aufgehoben. Im November 1793 erklärte man Saint-Cyr zum Armeehospital und wandelte die Kapelle in eine Krankenstation um. Die Kirchenstühle im Chor wurden entfernt und darunter der marmorne Grabstein entdeckt. Als die Arbeiter den darauf eingravierten adligen Namen sahen, zerschlugen sie die Platte, holten den Sarg herauf und erbrachen zuerst die Eichenschicht und dann den darin befindlichen Bleibehälter. Der darin ruhende einbalsamierte Leichnam war noch vollkommen erhalten. Sie holten ihn heraus, schlangen ein Seil um seinen Hals und zerrten ihn hinaus in den Hof und dann durch die Straßen der Stadt. Wäre nicht ein Offizier eingeschritten, hätten sie den Leichnam gewiß in einer vorgetäuschten Hexenverbrennung in Brand gesteckt, aber die Arbeiter ließen sich überreden, die »Hinrichtung« auf den nächsten Tag zu verschieben. In der Nacht kehrte der Offizier zurück, begleitet von einem ehemaligen Bediensteten von Saint-Cyr: Die beiden stahlen den Leichnam, legten ihn in seinen Bleisarg zurück und begruben ihn an einem abgelegenen Weg im Garten des Instituts.
Acht Jahre später, im Jahr 1802, wurde der Leichnam aus dem Garten exhumiert und mit großem Zeremoniell im »Maintenon«-Hof in Saint-Cyr erneut bestattet. Es wurde
ein Grabstein aufgestellt und das Grab mit einem Gitter umgeben. Doch für ein praktizierendes Armeehospital war die Grabstätte im Wege. Man benötigte den Hof für andere Dinge. Im Jahr 1816 wurde der Leichnam abermals exhumiert, und für weitere zwanzig Jahre lag er ungestört zwischen den Armeevorräten in Saint-Cyr, aus dem inzwischen eine Militärakademie geworden war.
Im Jahr 1836 beschloß der Verwaltungsrat der Akademie, ihm eine weitere Bestattung zu gewähren. Man baute einen Sarkophag aus schwarzem Marmor, und in ihn verbrachte man außer dem Leichnam die Dinge, die man bei ihm gefunden hatte: Teile des Totenhemds, ein Kreuz aus Ebenholz, Pergamentfetzen, einige Kräuter und einen Damenschuh. Der alte Eichensarg, zerbrochen und zerfallen, wurde mit dem Marmorsarkophag am ursprünglichen Ort in der Kapelle begraben, der Bleisarg als Schrott verkauft.
Im Jahr 1890 machten Restaurierungsarbeiten in der Kapelle eine erneute Öffnung des Grabes erforderlich. Die Teile des Eichensarges wurden sorgfältig gesammelt. Fünf Jahre später gab es Gerüchte, daß die sterblichen Überreste in dem Grab in Wirklichkeit keine menschlichen seien, und so grub man den Marmorsarkophag wieder aus, und zwei Militärärzte nahmen an dem, was jetzt nur noch ein wirrer Haufen von Knochen war, eine Autopsie vor. In Anwesenheit des Kommandanten der Akademie und mehrerer Offiziere erklärten die Ärzte die Gebeine »unbestreitbar« für die von Madame de Maintenon. Ein Geistlicher sprach die Totengebete, und die in den Marmorsarkophag zurückgelegten Gebeine wurden wieder in ihrem Grab in der Kapelle bestattet.
Im Sommer 1944 wurde Saint-Cyr bei einem angloamerikanischen Bombenangriff schwer beschädigt. Der Boden der Kapelle wurde zerstört und der Marmorsarkophag aufgerissen, so daß die Gebeine inmitten des Schutts herumlagen. Man schaffte sie nach Versailles und begrub sie in der dortigen Kapelle.
Im April 1969, 250
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