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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Buckley
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ausführte:
    Der König wünschte alle Aspekte des Krieges darzustellen, und so gab es eine Belagerung mit Linien, Gräben, Artillerie, Brückenarbeit und dergleichen … und einen Angriff auf einen alten Festungswall … und dann auf der Ebene dahinter alle Truppen in Formation … es war das herrlichste Spektakel, dieses Spiel von Angriff und Verteidigung, und da es nicht ernst war, brauchte sich niemand um etwas anderes zu kümmern als um die Präzision all der Bewegungen.
    Es gab aber noch ein Spektakel ganz anderer Art, das der König jedermann vorführte, seiner gesamten Armee und dieser riesigen Menge von Leuten aus aller Herren Länder, und ich werde dieses Spektakel noch in vierzig Jahren
genauso beschreiben können wie heute, so nachdrücklich hat es sich mir eingeprägt. Madame de Maintenon saß, der Ebene zugewandt, in einer mit drei Fenstern versehenen Sänfte … der König stand rechts von ihr, und ständig beugte er sich zu ihr herunter, um ihr zu erklären, was sich bei dem Manöver abspielte. Jedesmal ließ sie ihr Fenster um vier oder fünf Fingerlängen herunter … Der König sprach mit niemandem sonst, außer um Befehle zu erteilen … Alle waren erstaunt und verlegen und taten so, als bemerkten sie nichts, und dabei beobachteten sie dies aufmerksamer als alles, was die Armee tat … Der König legte seinen Hut auf der Sänfte von Madame de Maintenon ab …
    Als Madame de Maintenon ging, ging weniger als eine Viertelstunde später auch der König … Alle sagten, sie könnten kaum glauben, was sie gesehen hatten, und sogar die Soldaten auf der Ebene fragten, zu wem der König sich immer wieder herabgebeugt und gesprochen hatte … Den Eindruck, den das auf die Ausländer dort machte, kann man sich vorstellen. Bald sprach man in ganz Europa darüber …
    Im Sinne des barocken Protokolls an Ludwigs Hof konnte die Tatsache, daß der König während der gesamten Darbietung mit niemandem außer Françoise gesprochen hatte, und vor allem sein wiederholtes »Herabbeugen« zu diesem Zweck nur eines bedeuten: Sie war de facto , wenn nicht de jure , die Königin. Es gab, wie in einer Sitzung des Hohen Rates im Oktober 1698 ein für allemal bestätigt werden sollte, keine Bekanntmachung, keine förmliche Anerkennung, aber die Sache konnte von nun an als ein offenes Geheimnis gelten.
    Mürrisch schrieb Liselotte
851 : »damit sagt man nicht, daß sie Königin seye oder nicht, undt sie hatt doch den rang.«
    Vom Abgrund der Ungnade zurückgerissen, machte Françoise die paradoxe Feststellung, daß ihre Position stärker
war als je zuvor. Ludwig hatte sich offensichtlich Gedanken darüber gemacht, daß er sie bisher von den »öffentlichen Angelegenheiten« ausgeschlossen hatte. Das hatte Schaden angerichtet, und es hätte sich als wirklich gefährlich erweisen können, aber ihre Loyalität ihm gegenüber stand außer Zweifel, und es mochte sogar eine Spur Sympathie in seiner Stimme gelegen haben, als er sich herunterbeugte, um durch die »vier oder fünf Fingerlängen« ihres Fensters mit ihr zu sprechen.
    Was immer es damit auf sich hatte – von nun an war Françoise auf Einladung des Königs an allen Sitzungen seines Hohen Rates zugegen. Wenngleich sie dem königlichen Zirkel formell nicht angehören konnte, sollte ihr Einfluß in der Praxis von nun an nur noch wachsen. Ludwig, mittlerweile über sechzig, brauchte Unterstützung und Bestätigung unabhängig von den eigennützigen politischen Machenschaften, die am Hof nicht zu vermeiden waren. Er verließ sich immer stärker auf den Rat von Françoise, der ihm stets mit außergewöhnlicher und sehr umsichtiger Diskretion erteilt wurde. Und erneut profitierten davon ihre Schützlinge: Sie wählte den Parlamentsrat Michel Chamillart, der das Billardspiel liebte, für den ehemals von Colbert bekleideten Posten des Generalkontrolleurs der Finanzen, und im selben Jahr 1699 verschaffte sie dem Erzbischof de Noailles den begehrten Kardinalshut.
    * *
    Im Herbst 1697 war mit der Unterzeichnung einer Reihe von Verträgen in der niederländischen Stadt Rijswijk Ludwigs Krieg gegen Wilhelms Große Allianz zu Ende gegangen. Nach einem neunjährigen Ringen hatte niemand sonderlich viel gewonnen. Schwer erkämpfte Territorien wurden zurückgegeben; alte und neue Regime wurden widerstrebend anerkannt. In Europa war eine Zeit des Friedens angebrochen, allerdings eines wackeligen Friedens, bedroht
von Abneigung, Mißtrauen und unbefriedigten Ambitionen. Die Schuld lag

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