Madame de Maintenon
weitgehend bei Ludwig, der 1688 das Rheinland überfallen hatte, und wenn er momentan den Frieden akzeptierte, so dachte er doch schon an seine nächste expansionistische Kampagne.
In den 1690er Jahren hatte es auch andere Anfänge gegeben, und wieder anderes war zu Ende gegangen. Nach fast zehn Jahren der Vernachlässigung und Demütigung hatte Athénaïs sich endlich bereit gefunden, Versailles zu verlassen, »vorausgesetzt, man läßt es so aussehen, als habe sie es freiwillig getan«. Kein anderer Liebhaber hatte die Tage ihres langen Niedergangs am Hof aufgeheitert. Ein gesundes Maß an Eitelkeit und vielleicht auch ein Rest von echter Liebe hatten sie davon abgehalten, Trost bei einem anderen Mann zu suchen, und hätte sie es getan und den Pakt, den Ruf von Françoise zu schützen, gebrochen, hätte Ludwig sie höchstwahrscheinlich auf der Stelle entlassen.
Athénaïs verließ Versailles mit einer Pension von 240 000 Livres im Jahr. Der Herzog von Maine war in seinem Eifer, die Wohnung seiner Mutter zu übernehmen, so ungalant, ihre Möbel schon aus dem Fenster zu werfen, bevor sie abgefahren war, um eine anscheinend aufrichtige sechzehnjährige Buße im Pariser Kloster der Töchter des heiligen Joseph anzutreten.
Die Dauphine war nach Jahren der Kränklichkeit und des Unglücks gestorben. Ihre dynastische Pflicht hatte sie übererfüllt und dem Dauphin drei gesunde Söhne geschenkt, und da sie die längste Zeit ihres Lebens am Hof in der Abgeschiedenheit ihres Krankenzimmers verbracht hatte, wurde sie kaum vermißt.
Der brutale kleine Marschall von Luxemburg war mit siebenundsechzig gestorben, nachdem er »das Leben eines Fünfundzwanzigjährigen
852 « geführt hatte. Sein Kollege in Sachen Brutalität, der Marquis von Louvois, Kriegsminister, war ebenfalls gestorben, mit nur fünfzig Jahren, an Gift, wie man
munkelte, oder er war erstickt, aber so genau wollte man es gar nicht wissen. Die Autopsie ergab, daß seine Lunge voller Blut war. Louvois' Tod veranlaßte Liselotte zu einem widerwärtigen Ausbruch, und das nicht nur, weil er ihre pfälzische Heimat zerstört hatte: »Wenn's nach mir ginge
853 «, erklärte sie, »hätte ich es lieber gesehen, daß eine alte Stinkerin abkratzt als er; sie wird jetzt noch mächtiger als vorher.«
Françoises Neffe Henri-Benjamin de Villette war tot, mit vierundzwanzig Jahren in der Schlacht gefallen. Ihre alte Freundin, die hagere, loyale Madame de Montchevreuil, war ebenfalls gestorben. »Ich weiß am besten
854 , wie sehr ihr Verlust Sie betrübt«, schrieb Mignon, der die kleinliche und fromme, aber herzensgute Marquise sehr gemocht hatte. »Trösten Sie sich mit dem Gedanken an die Tugenden unserer verstorbenen Freundin; der Tod betrübt die Ungläubigen, aber die guten Christen muß er trösten, denn der Tod einer Heiligen ist kostbar für Gott … Lassen Sie Ihren Kummer bitte nicht Ihre Gesundheit untergraben.« »Madame de Maintenon war vom Tod
855 der Madame de Montchevreuil schrecklich mitgenommen«, notierte der Herzog von Saint-Simon, »und viele andere gaben vor, es ebenfalls zu sein.«
Auch die liebenswürdige Madame de Sévigné war gestorben, mit absolut eleganten siebzig Jahren, trotz der zuvor ausgesprochenen Bitte ihres sie anbetenden Cousins, des Grafen Bussy-Rabutin: »Sie gehören zu denen
856 , die niemals sterben dürften«, hatte er geschrieben. »Madame de Sévigné [war] so liebenswürdig
857 und eine so großartige Gesellschaft«, schrieb der Herzog von Saint-Simon mit ungewohnter Großmut, um dann im gewohnten Ton fortzufahren: »Sie starb in Grignan im Haus ihrer Tochter, die von ihr vergöttert wurde, obwohl sie es eigentlich nicht verdiente.«
Ein- oder zweimal hatte es blinden Alarm gegeben. Eine Falschmeldung vom Tode König Wilhelms hatte die Menschen in Paris mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen; von Amtsträgern wurden lautstark Anweisungen erteilt, man
solle Freudenfeuer entzünden, und es wurde großzügig Wein ausgeschenkt, um die Leute zu ermuntern, unter freiem Himmel zu singen und zu tanzen. Dann hieß es plötlich, daß er noch lebte, und gleichzeitig fand zumindest Liselotte heraus, daß er homosexuell war. »Er endert offt von favoritten
858 «, schrieb sie ihrer Halbschwester, »solle jetz … wider einen neuen ahn Albemarle platz haben. Daß die königin, seine gemahlin, bey ihren lebenszeitten keine rivalle gefunden, ist nicht zu verwundern. Die von könig Wilhelms inclination sein, fragen nach keine weiber
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