Made in Germany
sollten lieber auf ihre Frauen aufpassen!
Selbst für mich, einen in Deutschland aufgewachsenen Türken der dritten Generation, ist es unheimlich schwierig, eine Beziehung mit einer Landsmännin aufzubauen. Ich war einmal mit einer Türkin zusammen. Na ja, so richtig „zusammen” waren wir eigentlich nicht. Es war keine „Beziehung”, keine „Affäre”, noch nicht mal ein „Techtelmechtel”. Ich habe mich noch nicht einmal getraut, sie anzufassen. Weil ich wusste, irgendwann kommt der Satz: „Ich bin noch Jungfrau!”
Spätestens da war mir klar: Ich kann keine Beziehung mit einer Türkin haben, weil ich keinen Sex mit ihr haben kann. Und wenn ich doch Sex mit ihr hätte, käme ihr Vater rein, mit 30 Verwandten im Schlepptau, und er würde sagen: „Hiergeblieben! Beschneiden! Heiraten! Sofort!”
Die meisten würden sagen: „Hier hört der Spaß auf!” Ich sehe das anders: Denn bevor der Spaß aufhören kann, hätte ich vorher ja welchen haben müssen.
Seitdem ziehe ich deutsche Freundinnen vor. Einmal wurde ich von einem deutschen Vater erwischt. Ich war gerade auf seiner Tochter zugange, da ging die Tür auf. Und ich muss sagen: Er hat toll reagiert! Diplomatisch, liberal, interessiert. Er hat mir die Hand geschüttelt, hat gefragt, seit wann ich in Deutschland lebe und gesagt, dass ich seine Sprache sehr gut beherrschen würde. Dann fragte er noch, wie die Stellung, die ich gerade mit seiner Tochter praktiziere, auf Türkisch heißt. Und dann ließ er uns wieder allein. Wobei ich zugeben muss, dass die ganz große Lust durch dieses Gespräch ein bisschen verflogen war. Trotzdem hatte ich Hochachtung vor dem Mann und seiner besonnenen, verständnisvollen Art. Zumindest bis zwei Minuten später die Tür noch einmal aufging, er ins Zimmer schaute und sagte: „Annette, wir müssen reden!”
Ist Annettes Vater nun klug, bescheuert, engstirnig, weltoffen, lustig, peinlich, altmodisch oder modern? Wahrscheinlich alles auf einmal. Damit verkörpert er das, was Deutschland für mich ausmacht: Vielseitigkeit. Die deutschen Raser machen mich nervös, aber ich finde es gleichzeitig toll, dass es kein Tempolimit gibt; die deutsche Ordnungsliebe ist oft richtig unromantisch, aber ich bin froh, dass wir den Überblick
behalten; ich teile den deutschen Musikgeschmack nicht immer, aber natürlich schunkle ich mit.
Diese bunte und widersprüchliche Vielfalt in all ihren schillernden Ausprägungen – das ist für mich typisch
„Made in Germany”.
3.Auflage
Originalausgabe 02/2011
Copyright © 2011 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH www.heyne.de
Mitarbeit: Paulus Vennebusch, Köln Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München
Fotos: Christian Sauter
Abbildung auf Seite 225: Marc Rehbeck für
TV Digital/PETA
Illustrationen:
Clyde & von Ameln (Digitale Maler & Lackierer), Köln
Cartoons: Zwen Keller, Frankfurt
Satz: BuchHaus Robert Gigler
eISBN 978-3-641-06048-0
www.randomhouse.de
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