Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
 
     
    MARTIN CRUZ SMITH
     
    DAS LABYRINTH
     
    Roman
     
    Aus dem Englischen von Hans Heinrich Wellmann
     
    Für EM
     
     
    TEIL EINS
     
    MOSKAU
     
    6.-12. August 1991
    In Moskau sind die Sommernächte wie Rauch und Feuer. Sterne und Mond verblassen. Liebespaare stehen auf, ziehen sich an und wandern durch die Straßen. Wagen fahren mit abgeschalteten Scheinwerfern.
    »Da.« Jaak sah einen Audi, der aus der entgegengesetzten Richtung kam.
    Arkadi setzte die Kopfhörer auf und stellte den Empfänger ein. »Sein Sender ist abgeschaltet.«
    Jaak wendete den Wagen, wechselte auf die andere Seite des Boulevards und beschleunigte. Er hatte schiefstehende Augen, ein muskulöses Gesicht und hockte krummrückig über dem Lenkrad, als wollte er es verbiegen.
    Arkadi klopfte sich eine Zigarette aus der Packung. Die erste heute. Nun, es war ein Uhr morgens, kein Grund zu besonderem Stolz.
    »Näher ran«, sagte er und nahm die Kopfhörer wieder ab.
    »Wir müssen sicher sein, daß es Rudi ist.«
    Vor ihnen schimmerten die Lichter des um die Stadt führenden Autobahnrings. Der Audi schwenkte auf die Auffahrt und fädelte sich in den Verkehr ein. Jaak schob sich zwischen zwei Pritschenwagen mit Stahlplatten, die bei jeder Unebenheit der Straße laut polterten. Er überholte den ersten Wagen, den Audi und einen Tankzug. Arkadi konnte das Profil des Fahrers erkennen, aber es waren zwei Leute im Wagen, nicht nur einer. »Er hat jemanden dabei. Wir müssen ihn uns noch mal anschauen.«
    Jaak fuhr langsamer. Der Tankzug blieb hinter ihnen, aber eine Sekunde später überholte der Audi. Rudi Rosen, der Fahrer, ein rundlicher Mann mit weichen Händen, die fest das Lenkrad umschlossen, war Privatbankier verschiedener Mafia-Organisationen, ein Möchtegern-Rothschild, der die primitivsten Kapitalisten Moskaus bediente. Neben ihm saß eine Frau von jenem wilden Aussehen, das Russinnen annehmen, wenn sie Diät halten, irgendwo zwischen Sinnlichkeit und Ausgehungertsein, mit modisch geschnittenen blonden Haaren, die über den Kragen ihrer schwarzen Lederjacke fielen. Im Vorbeifahren wandte sie sich um und musterte den Wagen der KripoMänner, einen zweitürigen Schiguli, wie ein Stück Schrott. Mitte dreißig, dachte Arkadi. Sie hatte dunkle Augen, einen breiten Mund und volle, leicht geöffnete Lippen, ganz so, als sei sie durstig. Der Audi setzte sich vor sie, gefolgt vom Dröhnen eines offenliegenden Motors, einer Suzuki 750, die sich hinter ihn schob. Der Motorradfahrer trug einen schwarzen Sturzhelm, eine schwarze Lederjacke und schwarze Schaftstiefel, an denen Reflektoren leuchteten. Jaak entspannte sich. Der Motorradfahrer war Kim, Rudis Leibwächter.
    Arkadi duckte sich und lauschte wieder in den Kopfhörer.
    »Immer noch tot.«
    »Er führt uns zum Markt. Da gibt es ein paar Leute - wenn die dich erkennen, bist du ein toter Mann.« Jaak lachte. »Natürlich wissen wir dann auch gleich, daß wir richtig sind.«
    »Gut  beobachtet.«   Verhüte  Gott,   daß  sich hier irgendwer wie ein vernünftiger Mensch benimmt, dachte Arkadi. Im übrigen, wenn mich jemand erkennt, heißt das, daß ich noch am Leben bin.
    Fast der gesamte Verkehr drängte sich in dieselbe Ausfahrt. Eine Reihe von »Rockern« zwängte sich zwischen den Wagen durch, mit Hakenkreuzen und Zarenadlern auf dem Rücken, umhüllt von Abgasqualm aus nicht weiter schallgedämpften Auspuffen.
    Am Ende der Ausfahrt waren Bauzäune zur Seite geschoben worden. Der Wagen holperte über die Straße, als ob sie ein Kartoffelfeld überquerten. Arkadi sah die hoch vor dem schwach erleuchteten Nordhimmel aufragenden Silhouetten. Ein Moskwitsch fuhr vorbei, bis zu den Fenstern vollgestopft mit Teppichen. Auf dem Dach eines alten Renault stapelte sich die Einrichtung eines Wohnzimmers. Vor ihnen verdichteten sich die Bremslichter zu einem einzigen Rot.
    Die Rocker bildeten mit ihren Maschinen einen Kreis und kündigten ihren Halt mit aufbrüllenden Motoren an. Personen- und Lastwagen quetschten sich auf jedes freie Plätzchen.
    Jaak würgte den Schiguli ab, der Wagen besaß keine Leerlaufschaltung, und stieg dann mit dem Lächeln eines Krokodils aus, das ein paar Affen beim Spiel entdeckt hatte. Auch Arkadi stieg aus, er trug eine wattierte Jacke und eine Tuchmütze. Er hatte schwarze Augen und sah leicht verwirrt aus, als hätte er sich lange in einem tiefen Loch aufgehalten und wäre nun zurückgekehrt, um zu sehen, was sich an der Erdoberfläche verändert hatte - was von

Weitere Kostenlose Bücher